Das Schwert des Sehers
wirkte tatsächlich!
Und dann erfasste das Prickeln seinen Kopf. Etwas bohrte sich hinein, mit einem so wütenden Schmerz, dass es Dauras den Atem nahm. Er wand sich und schnappte nach Luft.
»Geht es Ihnen gut?«
Er hörte die Stimme des Kanzlers wie durch einen Nebel. Der Schmerz wurde unerträglich. Er kam von außen. Dauras fühlte es, aber er konnte es nicht einordnen. Es brannte sich in seine Stirn wie ein Feuer, auch wenn außer ihm niemand etwas zu bemerken schien.
Dauras krümmte sich wieder. Er schlug die Hände vors Gesicht und schloss die Augen.
Und das fremde Gefühl, der Schmerz verschwand. Nur ein Nachhall davon pochte zwischen seinen Schläfen.
Dauras stöhnte.
Licht.
Er wusste nicht, woher dieses Wort kam, aber es war da, und Dauras wusste, was es bedeutete.
»Bei den Göttern des Schwertes«, stieß er hervor. »Ich … ich kann wieder sehen!«
»Da!« Er hörte den Kanzler rufen. »Der Mönch gewinnt sein Augenlicht zurück. Wie fühlt sich das an, Dauras? Es muss wunderbar sein!«
Dauras schloss die Augen, und das Licht verschwand. Und damit alles, was er jemals wahrgenommen hatte. Zum ersten Mal in seinem Leben war es wahrhaft dunkel um ihn geworden.
Er schlug die Augen wieder auf, und das Brennen kehrte zurück. Das Licht enthüllte nichts, es löschte alles andere aus. Seine besondere Wahrnehmung war fort, und es schien selbst sein Gehör und seinen Geruchssinn zu dämpfen. Er öffnete die Augen und schloss sie wieder. Er blinzelte.
Dauras spürte eine Hand an seinem Kinn, eine weitere Hand an seiner Schulter. Der Kanzler half ihm, sich aufzurichten. Dauras hörte seine Stimme dicht am Ohr. »Ihre Augen, Dauras! Ich kann zusehen, wie sie klar werden.«
Dauras rang nach Worten. Dieses Licht verwirrte ihn so sehr, dass er kaum denken konnte. Er streckte die Arme aus und suchte nach Halt. Er schämte sich, dass er sich auf den Kanzler stützen musste. Er blinzelte mit den Lidern und versuchte, zu sehen … mit den Augen zu sehen, was er bisher nur aus Geschichten kannte. Aber da war nur dieses Licht, das ihm in den Kopf stach wie ein Speer.
Er riss sich vom Kanzler los und stolperte durch den Raum. Er stieß gegen einen Tisch. Glas barst links und rechts von ihm, er roch Alkohol. Ein Mann fluchte. Dauras blinzelte und tastete sich mit den Händen weiter.
»Nur die Ruhe.« Der Kanzler ging neben ihm her, und er sprach so laut, dass auch die anderen Gäste ihn hören konnten. »Bponur hat uns ein Wunder gewährt. Aber Sie werden sich daran gewöhnen müssen.«
Dauras tastete sich weiter, an der Wand entlang aus dem Raum, die Treppe hinab und stieß die Haustür auf. Er lief auf die Straße und floh in die Dunkelheit.
Der Schnee fiel in kleinen harten Körnern. Dauras spürte die kalte Berührung in seinem Gesicht. Das Pflaster unter seinen Füßen war feucht und tückisch glatt. Dauras taumelte weiter.
Wenn er die Augen öffnete, konnte er Licht und Schatten unterscheiden. Er tastete sich mit den Händen vorwärts und bekam allmählich ein Gefühl dafür, welcher Schatten die Straße war und welcher die Wand. Er nutzte, was von seinen Sinnen geblieben war.
Wieder schloss er die Augen. Kurz darauf hörte er Schritte, und er hielt inne. Die Schritte kamen näher. Er öffnete die Augen und sah … Schatten. Schatten, die sich veränderten – eine Bewegung. Aber er konnte keine Formen erkennen. Und wenn die Bewegung aufhörte, verschwanden die Umrisse, als hätten Straße und Mauern sie verschluckt.
»Der große Schwertkämpfer«, höhnte eine Stimme. Dauras erkannte sie wieder, er hatte sie schon einmal im Umfeld des Kanzlers gehört. »Nicht mehr so groß jetzt, wie es aussieht.«
»Ich glaube, du hattest uns zu einem Kampf herausgefordert«, sagte eine andere Stimme. »Wie sieht es jetzt damit aus?«
»Jederzeit«, knurrte Dauras und zog sein Schwert.
Rings um ihn fuhren weitere Klingen scharrend aus der Scheide. Dauras stieß sein Schwert in Richtung eines der Geräusche. Stahl klirrte auf Stahl. »Uuups«, sagte jemand, und die anderen Angreifer lachten.
Ein Schlag traf Dauras am Rücken. Er fuhr herum, sein Schwert sauste durch die leere Luft. Ein weiterer Schlag traf ihn. Sie schlugen ihn mit der flachen Seite der Klinge. Siespielten mit ihm! Dauras wich an die Wand zurück und ließ die Klinge wirbeln. Einer der Angreifer streckte das Schwert vor, die Klingen trafen aufeinander, überraschend, und Dauras geriet aus dem Takt.
Er hielt inne. Er blinzelte und
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