Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Loy
Vom Netzwerk:
gesenkt. Mit einem Mal wurde es ihm alles zu viel. »Ich sollte einfach die Stadt verlassen. All das Getue bei Hofe, das ist mehr, als man mit einem Schwert zerschlagen kann.«
    Meris gab einen verächtlichen Laut von sich. »Seltsam. So habe ich dich noch nie reden hören.«
    »Vielleicht, weil ich blind war«, sagte Dauras. »Blind für das, was ich nicht konnte.«
    Er fühlte sie plötzlich vor sich, bevor er ihren Schatten sah. Sie packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn. »Hör zu, du verfluchter Kampfmönch. Du wirst mir nicht aufgeben! Du bist die einzige Waffe, die ich habe.«
    »Ich bin ein Krüppel«, sagte Dauras. »Selbst wenn ich jemals lerne, meine Augen zu gebrauchen   – wer weiß, wie gut ich dann noch kämpfe?«
    »Was ist mit der Kampfkunst und der Körperbeherrschung, die du im Kloster gelernt hast? Mit deiner übermenschlichen Schnelligkeit? Das kann nicht alles verschwunden sein, nur weil du ein wenig anders in die Welt hinausschaust.«
    Was bleibt von deiner Kampfkunst, wenn du deine speziellen Gaben verlierst?
    Dauras hörte die Frage in Meris’ Worten wie ein Echo aus der Vergangenheit.
    Nicht viel, wie es schien.
    »Also gut«, sagte Meris. »Wie wäre es damit: Wenn dein Sehvermögen nicht reicht, versuchen wir, deine früheren Sinne wiederherzustellen.«
    »Die sind verschwunden«, entgegnete Dauras. »Seit dem Augenblick, da ich mit den Augen sehen konnte, habe ich nichts mehr gespürt .«
    »Wir könnten dir die Augen ausstechen«, sagte Meris. »Vielleicht kommt dein Gespür dann zurück.«
    »Was?« Dauras fuhr auf.
    »Ich wollte es nur einmal ansprechen«, sagte Meris. »Ich hätte nicht gedacht, dass du so wehleidig bist. Du wolltest immer der Größte sein   – wenn es jetzt deine Augen sind, die deiner Größe im Weg stehen   …«
    »Nein!«, rief Dauras. »Ich werde mir kein Messer in die Augen stechen lassen.«
    »Es gibt andere Möglichkeiten«, überlegte Meris. »Wir könnten zu einem Heilkundigen gehen.«
    Dauras hob abwehrend die Hände. »Du verstehst das nicht«, sagte er. »Mein Gespür ist weg. Selbst wenn ich die Augen schließe, merke ich nichts mehr davon. Warum sollte es zurückkehren? Ohne meine Augen wäre ich einfach nur blind.«
    »Woher willst du das wissen?«, fragte Meris. »Ich glaube nicht, dass es jemals jemand ausprobiert hat.«
    »Ich weiß es nicht«, räumte Dauras ein. »Aber es fühlt sich so an. Bevor ich das riskiere, versuche ich lieber erst mal, wie weit ich mit meinen Augen komme.«
    »Gut«, sagte Meris. »Dann fangen wir morgen mit den Übungen an.«
    Sie wandte sich ab und ging zur anderen Ecke des Zimmers. Dauras hörte Geschirr klappern. Er hielt sich die Augen zu und konzentrierte sich auf das, was er verloren hatte. Aber da war nichts mehr, außer Schwärze.
    Er musste einfach lernen, wie ein gewöhnlicher Mensch zu sehen.
    »Komm zu Tisch«, rief Meris. »Ich bin es leid, dich im Bett zu füttern.«
    Dauras blieb, wo er war. »Was ist sonst noch passiert?«, fragte er.
    »Was soll passiert sein?«, fragte sie zurück.
    »Komm schon«, sagte er. »Verkauf mich nicht für dumm. Du willst, dass ich deine Waffe bin. Etwas treibt dich um! Da steckt mehr dahinter als die Sorge um den Leibwächter deiner Kaiserin. Warum sind wir hier? Ich hatte immer das Gefühl, dass du mich lieber heute als morgen aus dem Spiel nehmen wollest   – und doch kannst du mich jetzt nicht schnell genug wieder hineinbringen.«
    Meris atmete langsam aus. Sie setzte sich neben Dauras auf das Bett.
    »In der Nacht, als du von deiner Blindheit   … geheilt wurdest«, sagte sie, »ist noch mehr geschehen. Als ich am Abend zurück zu meiner Wohnung kam, da war die Tür aufgebrochen. Die Amme habe ich tot im Wohnzimmer gefunden, und Tordis war verschwunden. Dafür lag ein Brief auf dem Tisch.
    Wenn du einen Fuß auf die Insel setzt, wird deine Tochter sterben. Warte hier auf weitere Anweisungen.
    Natürlich habe ich nicht gewartet. Ich habe in der Nachbarschaft gesucht und Fragen gestellt. Ich habe ein paar Verbindungsleute gefragt. Und als mir bewusst wurde, dass ich die Antworten nur auf der Insel finden werde   – denn warum sonst hätten die Entführer mir verbieten sollen, genau dorthin zu gehen?   –, da bin ich nach Hause zurückgekehrt und wusste nicht mehr, was ich tun sollte.
    Und dann standest du vor der Tür, und ich habe erkannt, dass es eine Art Putsch war. Sie haben dich von der Seite der Kaiserin fortgeholt, und zur gleichen Zeit haben

Weitere Kostenlose Bücher