Das Schwert des Sehers
bin«, stellte er fest. »Ich hatte gehofft, während der Feiertage würden wir Gelegenheit dazu finden, aber …«
Endlich wandte Valdar sich zu ihm um. Er nahm eine Linse herunter, die er sich vor das Auge geklemmt hatte, und blinzelte. »Tut mir leid, Junge«, sagte er. »Ich mache mich rar, ich gebe es zu. Doch ich habe so viel zu tun, und wenn ich mir im Winter nicht Zeit für meine Studien nehme, wann dann?«
Lacan sah den alten Mann an. Valdar war viele Jahre wie ein Vater für ihn gewesen, im Grunde der einzige Vater, den er je gehabt hatte. »Bist du zornig auf mich«, fragte er. »Weil ich fortgegangen bin?«
Valdar schüttelte den Kopf. »Wie könnte ich? Auf einen jungen Helden, der die Grenzen des Reichs verteidigt hat!«
Lacan verzog das Gesicht. »Verspotte mich nicht. Du weißt, warum ich gegangen bin.«
Valdar drehte seinen Stuhl herum und lehnte sich zurück. »Ich verspotte dich nicht. Es ist wichtig, was an der Grenze geschieht. Und es war dein Recht, dort hinzugehen.«
»Ich hatte es mir anders vorgestellt«, sagte Lacan. »Was ich alles gesehen habe, in den Schwarzen Bergen …«
Valdar wedelte abwehrend mit der Hand. »Ich kann es mir vorstellen. Glaubst du, ich war immer ein alter Mann, derüber einem Stall gehaust hast? Einen Haufen meiner Bücher habe ich selbst aus Tradars Wacht herausgeholt, als ich jung war.«
Lacan folgte der Bewegung mit den Augen. Er fröstelte. »Das wusste ich nicht. Tradars Wacht …«
»Ja«, sagte Valdar. »Ich habe eine Menge gesehen, was kein menschliches Auge je sehen sollte. Und ich habe eine Menge von dort mitgebracht, was ich nicht hätte mitbringen sollen, fürchte ich. Aber, na ja …« Er zuckte die Achseln. »Ich bin schwach, und ich habe viel daraus gelernt.«
»Du warst bereits ein Zauberer, als meine Mutter dich aufgenommen hat«, sagte Lacan.
Der Alte lachte trocken. »Ich bin auf dem Jahrmarkt aufgetreten. Das war alles. Das meiste habe ich mir in den letzten fünfzehn Jahren hier auf dem Hof angeeignet. Deine Mutter war sehr gütig.«
»Du hast ihr sehr geholfen«, sagte Lacan. »Mit den Zahlen. Mit den Bauten. Und mit mir.«
»Das war das Schwerste«, sagte Valdar. »Aber es hat sich gelohnt. Du bist ganz anständig geraten. Ich nehme es dir nicht übel, dass du eine Weile verschwunden bist. Dein Vater hat sich viele Feinde gemacht, und nachdem er die Gunst des Kaisers verloren hatte … Es war leichter für alle, dass dein Gesicht eine Zeit lang nicht zu sehen war.«
Lacan lächelte kläglich. »Ich bin froh, dass du mir vergeben kannst. Ich habe dich hier mit allem allein gelassen, und ich weiß doch, wie gern du in die Hauptstadt möchtest.«
»Ja.« Valdar seufzte. »Die Hauptstadt. Der einzige Ort im Reich, wo ein Zauberer frei seiner Kunst nachgehen kann. Aber nach allem, was man von dort gerade hört, ist jetzt kein guter Zeitpunkt für einen Besuch.«
»Es heißt, es wird Krieg geben.« Lacans Stimme wurde bitter. »Und mein Vater steckt mitten drin. Wie immer.«
»Schauen wir mal«, sagte Valdar. »Grübel nicht über so etwas nach. Such dir lieber ein Steckenpferd! Der Winter hat zu viele lange Nächte. Da braucht man eine Beschäftigung, wenn man keine schweren Gedanken wälzen will.«
»Ich soll mir ein Steckenpferd suchen?« Lacan lächelte seinen Mentor an. »So wie du, meinst du?«
»Hm, so ähnlich«, erwiderte Valdar. »Nichts für ungut, aber für die Magie hast du überhaupt keinen Sinn.«
»Ich habe dich niemals zaubern sehen«, sagte Lacan. »Abgesehen von den Spielereien für den Jahrmarkt, von denen du gesprochen hast. Wie sieht die wahre Magie eigentlich aus?«
»Bei der wahren Magie geht es um das Wissen, nicht um das Tun. Ich kann Dinge sehen und verstehen, die den Augen verschlossen bleiben. Was das Tun angeht … da halte ich mich lieber an die Jahrmarktstricks, wenn jemand etwas sehen möchte. Der Preis für die echte Magie ist einfach zu hoch.«
»Die Ronurer, so heißt es, haben ihre Feinde verbrannt. Sie haben ihre Kampfkunst durch Zauberei gestärkt, sie haben Dämonen gerufen und sind auf dunklen Pfaden gewandelt, die weder Zeit noch Entfernung kennen.«
»Die Ronurer«, erwiderte Valdar, »werden heutzutage nicht umsonst selbst als Dämonen und Teufel angesehen.«
»Mag sein«, sagte Lacan. »Aber die alten Geschichten erzählen niemals davon, dass sie einen Preis für ihre Magie zahlen mussten. Außer dass sie am Ende verloren haben, wenn das damit gemeint
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