Das Schwert in Der Stille
rennende Schritte und Rufe. Wir horchten beide auf die gleiche Art der Kikuta. Die Geräusche verklangen und er fuhr fort: »Ich nehme deinen Vorschlag an. Du hast meine Erlaubnis, heute Nacht ins Schloss zu gehen.«
»Ich werde mit ihm gehen«, sagte Yuki. »Und alles vorbereiten, was wir brauchen.«
»Wenn der Mutomeister einverstanden ist.«
»Ich bin einverstanden«, sagte Kenji. »Ich komme auch mit.«
»Das ist nicht nötig«, sagte ich.
»Trotzdem, ich komme mit.«
»Wissen wir, wo Arai ist?«, fragte ich.
Kenji sagte: »Selbst wenn er die ganze Nacht marschieren würde, käme er vor Tagesanbruch nicht hier an.«
»Aber er ist unterwegs?«
»Shizuka glaubt, dass er nicht gegen das Schloss vorrücken wird. Seine einzige Hoffnung ist, Iida zu einem Kampf an der Grenze herauszufordern.«
»Und Terayama?«
»Dort wird es zum Aufstand kommen, wenn sie von dieser Schandtat hören«, sagte Yuki. »In der Stadt Yamagata ebenfalls.«
»Kein Aufstand gelingt, solange Iida lebt, und diese weiteren Vorgänge betreffen uns sowieso nicht«, unterbrach Kikuta sie zornig. »Du kannst Shigeru herunterholen; weiter geht unsere Vereinbarung nicht.«
Ich schwieg. Solange Iida lebt…
Es regnete wieder, das sanfte Geräusch umhüllte die Stadt, wusch Ziegel und Pflaster, erfrischte die muffige Luft.
»Was ist mit Lady Shirakawa?«, fragte ich.
»Shizuka sagt, sie steht unter Schock, ist aber ruhig. Offenbar gibt es keinen Verdacht gegen sie, abgesehen von dem, der mit ihrem unglücklichen Ruf verbunden ist. Die Leute sagen, sie ist verflucht, aber man glaubt nicht, dass sie an der Verschwörung beteiligt ist. Sachie, die Kammerdienerin, war schwächer, als die Tohan glaubten, und hat sich anscheinend aus der Folter in den Tod geflüchtet, bevor sie Shizuka belastete.«
»Hat Sachie etwas über mich verraten?«
Kenji seufzte. »Sie wusste nichts, außer dass du von den Verborgenen kamst und von Shigeru gerettet wurdest, und das wusste Iida bereits. Er und Ando glauben, dass Shigeru dich nur adoptiert hat, um sie zu beleidigen, und dass du geflohen bist, als du erkannt wurdest. Sie ahnen nichts von deiner Stammesidentität und wissen nichts von deinen Fähigkeiten.«
Das war ein Vorteil. Weitere Vorteile waren das Wetter und die Nacht. Aus dem Regen war ein nieselnder Nebel geworden; die dichte, niedrige Bewölkung verdeckte völlig Mond und Sterne. Und dazu kam noch die Veränderung, die ich durchgemacht hatte. Etwas in mir, das bisher halb geformt war, hatte die beabsichtigte Gestalt angenommen. Mein wilder Wutanfall, gefolgt von dem gründlichen Kikutaschlaf, hatte die Schlacke aus meinem Wesen verbrannt und einen Kern aus Stahl übrig gelassen. Ich erkannte in mir, was ich bei kurzen Einblicken in Kenjis eigentliches Ich wahrgenommen hatte, als ob Jato lebendig geworden wäre und mir dazu verhelfen würde.
Zu dritt gingen wir die Ausrüstung und Kleidung durch. Danach verbrachte ich eine Stunde mit Übungen. Meine Muskeln waren noch steif, schmerzten aber wenig. Mein rechtes Handgelenk beunruhigte mich am meisten. Als ich Jato zuvor hochgehoben hatte, war der Schmerz bis in den Ellbogen geschossen. Schließlich legte Yuki mir einen ledernen Gelenkschutz an.
Zur zweiten Hälfte der Stunde des Hunds aßen wir etwas Leichtes, dann saßen wir still da und verlangsamten Atem und Blut. Wir verdunkelten das Zimmer, um unsere Nachtsicht zu verbessern. Eine frühe Sperrstunde war verhängt worden, und nachdem die Reiter durch die Straßen patrouilliert waren und die Leute in die Häuser getrieben hatten, waren die Straßen ruhig. Um uns herum sang das Haus sein Abendlied: Geschirr wurde weggeräumt, Hunde bekamen ihr Futter, Wachmänner begannen die Nachtwache. Ich hörte die Schritte der Dienstmädchen, als sie die Betten ausbreiteten, das Klicken des Abakus, auf dem jemand die Tagesabrechnung machte. Allmählich beschränkte sich das Lied auf ein paar gleich bleibende Töne: das tiefe Atmen der Schläfer, gelegentliches Schnarchen, einmal den Schrei eines Mannes im Augenblick sinnlicher Leidenschaft. Diese irdischen Menschengeräusche berührten meine Seele. Ich dachte an meinen Vater, an seine Sehnsucht, ein normales Leben zu führen. Hatte er so geschrien, als ich empfangen wurde?
Nach einer Weile sagte Kenji zu Yuki, sie solle uns einige Minuten allein lassen, und setzte sich zu mir. Leise sagte er: »Der Vorwurf, mit den Verborgenen verbunden zu sein - wie weit stimmt das?«
»Shigeru hat es mir gegenüber
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