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Das Schwert in Der Stille

Das Schwert in Der Stille

Titel: Das Schwert in Der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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betrügen kann wie Muto Kenji?« Der kurze Augenblick der Ruhe war vorbei. Ich spürte, wie mein Zorn gleich wieder ausbrechen würde. Ich wollte ihm nachgeben, denn nur Zorn konnte Scham auslöschen. Die beiden jungen Leute traten vor, bereit, mich zurückzuhalten, doch Kikuta winkte sie zurück. Er nahm meine gefesselten Hände und hielt sie fest.
    »Schau mich an«, sagte er.
    Wider Willen schaute ich ihm in die Augen. Ich spürte, wie ich im Strudel meiner Gefühle ertrank und nur seine Augen mich vor dem Untergang bewahrten. Langsam ebbte der Zorn ab. Eine ungeheure Müdigkeit trat an seine Stelle. Ich konnte den Schlaf nicht bekämpfen, der auf mich zuströmte wie Wolken über einen Berg. Kikutas Blick hielt mich fest, bis sich meine Augen schlossen und der Nebel mich verschluckte.
    Als ich erwachte, war es hell; die Sonne warf schräge Strahlen in den Raum jenseits des Geheimzimmers und ein schwaches orangefarbenes Licht auf die Stelle, wo ich lag. Ich konnte nicht glauben, dass wieder Nachmittag war. Fast einen ganzen Tag lang musste ich geschlafen haben. Das Mädchen saß ein kleines Stück von mir entfernt auf dem Boden. Die Tür musste gerade geschlossen worden sein, das Geräusch hatte mich geweckt. Offenbar war die andere Wache hinausgegangen.
    »Wie heißt du?«, fragte ich. Meine Stimme war rau, meine Kehle schmerzte noch.
    »Yuki.«
    »Und er?«
    »Akio.«
    Er war es, den ich nach ihrer Auskunft verletzt hatte. »Was hat dieser Mann mir getan?«
    »Der Kikutameister? Er hat dich nur eingeschläfert. Das können die Kikuta.« Ich erinnerte mich an die Hunde in Hagi. Das können die Kikuta…
    »Wie spät ist es?«
    »Die erste Hälfte der Stunde des Hahns.«
    »Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?«
    »Von Lord Otori? Nichts.« Sie kam ein wenig näher und flüsterte: »Soll ich ihm eine Nachricht von dir bringen?«
    Ich starrte sie an. »Kannst du das?«
    »Ich habe als Dienstmädchen in dem Haus gearbeitet, in dem er untergebracht ist, genau wie in Yamagata.« Sie schaute mich bedeutungsvoll an. »Ich kann versuchen, heute Abend oder morgen früh mit ihm zu reden.«
    »Sag ihm, dass ich nicht freiwillig weggegangen bin. Bitte ihn, mir zu verzeihen…« Es gab viel zu viel, was ich in Worte fassen wollte. Ich beendete den Satz nicht. »Warum würdest du das für mich tun?«
    Sie schüttelte den Kopf, lächelte und gab mir zu verstehen, dass wir nicht mehr reden sollten. Akio kam ins Zimmer zurück. Eine seiner Hände war verbunden und er behandelte mich kühl.
    Später banden sie meine Füße los und brachten mich ins Bad, zogen mich aus und halfen mir in das heiße Wasser. Ich bewegte mich wie ein Krüppel, und jeder Muskel in meinem Körper schmerzte.
    »Das fügst du dir zu, wenn du wild vor Zorn wirst«, sagte Yuki. »Du hast keine Ahnung, wie sehr du dich mit deiner eigenen Kraft verletzen kannst.«
    »Deshalb musst du Selbstbeherrschung lernen«, fügte Akio hinzu. »Sonst bist du nur eine Gefahr für andere und für dich.«
    Als sie mich ins Zimmer zurückbrachten, sagte er: »Du hast mit deinem Ungehorsam jede Regel des Stamms gebrochen. Lass dir das eine Strafe sein.«
    Ich merkte, dass aus ihm nicht nur der Groll über die Verletzung sprach. Er mochte mich nicht und war noch dazu eifersüchtig. Mir war das gleichgültig. Mein Kopf schmerzte heftig, und ich war nicht mehr wütend, dafür aber tieftraurig.
    Meine Wachen schienen zu akzeptieren, dass eine Art Waffenstillstand erreicht war, und ließen mich ungefesselt. Ich war nicht in der Lage, irgendwohin zu gehen. Ich konnte kaum laufen, schon gar nicht aus Fenstern klettern und Dächer erklimmen. Ich aß ein wenig, die erste Nahrung, die ich seit zwei Tagen zu mir nahm. Yuki und Akio wurden von Keiko und dem anderen jungen Mann, Yoshinori, abgelöst. Keikos Hände waren ebenfalls verbunden. Beide kamen mir so feindselig wie Akio vor. Wir sprachen überhaupt nicht miteinander.
    Ich dachte an Shigeru und betete, dass Yuki mit ihm reden könne. Dann stellte ich fest, dass ich nach Art der Verborgenen betete; die Worte kamen mir ungewollt auf die Zunge. Schließlich hatte ich sie mit der Muttermilch eingesogen. Wie ein Kind flüsterte ich sie vor mich hin, und vielleicht trösteten sie mich, denn nach einer Weile schlief ich wieder, tief und fest.
    Der Schlaf erfrischte mich. Als ich erwachte, war es Morgen; mein Körper hatte sich etwas erholt und ich konnte mich ohne Schmerzen bewegen. Yuki war zurückgekommen, und als sie sah, dass ich wach

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