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Das Schwert in Der Stille

Das Schwert in Der Stille

Titel: Das Schwert in Der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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ich an ihm vorbeiging. Er murmelte: »Ist es schon Tag?«
    »Erst in einer Stunde«, antwortete ich.
    »Sie sehen blass aus, Lord Takeo. Ist Ihnen nicht wohl?«
    »Ein wenig Bauchweh, das ist alles.«
    »Dieses verdammte Tohanessen«, knurrte er, und wir lachten beide.
    »Möchten Sie Tee?«, fragte er. »Dann wecke ich die Dienstmädchen.«
    »Später. Ich will versuchen, noch ein bisschen zu schlafen.«
    Ich schob die Tür auf und trat ins Zimmer. Die Dunkelheit wich gerade der Dämmerung. An Kenjis Atem hörte ich, dass er wach war.
    »Wo bist du gewesen?«, flüsterte er.
    »Auf dem Abort. Mir war übel.«
    »Seit Mitternacht?«, fragte er ungläubig.
    Ich zog meine nassen Sachen aus und versteckte zugleich die Waffen unter der Matratze. »So lange nicht. Du hast geschlafen.«
    Er streckte die Hand aus und berührte meine Unterwäsche. »Tropfnass! Warst du im Fluss?«
    »Ich habe doch gesagt, dass mir übel war. Vielleicht bin ich nicht rechtzeitig zum Abort gekommen.«
    Kenji schlug mir fest auf die Schulter, und ich hörte, wie Shigeru wach wurde.
    »Was ist los?«, flüsterte er.
    »Takeo war die ganze Nacht draußen. Ich habe mir Sorgen um ihn gemacht.«
    »Ich habe nicht schlafen können«, sagte ich. »Deshalb bin ich eine Zeit lang herumgelaufen. Das habe ich auch zuvor schon getan, in Hagi und Tsuwano.«
    »Ich weiß«, bestätigte Kenji. »Aber das war im Otoriland. Hier ist es sehr viel gefährlicher.«
    »Nun, ich bin ja jetzt wieder da.« Ich schlüpfte unter die Decke, zog sie mir über den Kopf und fiel fast sofort in einen Schlaf, der so tief und traumlos war wie der Tod.
    Als ich aufwachte, war Krähengekrächze daran schuld. Ich hatte nur etwa drei Stunden lang geschlafen, aber ich fühlte mich ausgeruht und friedlich. Ich dachte nicht an die vergangene Nacht. Es fehlte mir sogar jede klare Erinnerung daran, als hätte ich in Trance gehandelt. Es war einer der seltenen Spätsommertage, an denen der Himmel von klarem Hellblau ist und die Luft weich und warm, ohne Schwüle. Ein Dienstmädchen kam mit einem Essenstablett und Tee herein und sagte leise, nachdem sie sich bis auf den Boden verbeugt und Tee eingeschenkt hatte: »Lord Otori wartet auf Sie bei den Ställen. Er bittet Sie, so bald wie möglich zu ihm zu kommen. Und Ihr Lehrer möchte, dass Sie Zeichenmaterial mitbringen.«
    Ich nickte mit vollem Mund.
    Sie sagte: »Ich werde Ihre Sachen trocknen.«
    »Hol sie später.« Ich wollte nicht, dass sie die Waffen fand, und als sie gegangen war, sprang ich auf, zog mich an und verbarg Haken und Garrotte im Geheimfach der Reisetruhe, in das Kenji sie gepackt hatte. Ich nahm den Beutel mit meinen Pinseln und das Lackkästchen mit dem Tuschstein, wickelte sie in ein Tragetuch, steckte das Schwert in den Gürtel, verwandelte mich in Takeo, den eifrigen Künstler, und ging in den Stallhof.
    Als ich an der Küche vorbeikam, hörte ich eins der Mädchen flüstern: »Sie sind alle in der Nacht gestorben. Die Leute sagen, ein Todesengel ist gekommen…«
    Ich hastete mit gesenktem Blick weiter und achtete darauf, dass mein Gang etwas unbeholfen wirkte. Die Damen waren bereits zu Pferd. Shigeru unterhielt sich mit Abe, der uns offenbar begleiten sollte. Ein junger Tohanmann stand mit zwei Pferden neben ihm. Ein Pferdeknecht hielt Shigerus Kyu und meinen Raku.
    »Komm schon, komm schon«, rief Abe, als er mich sah. »Wir können nicht den ganzen Tag warten, während du im Bett faulenzt.«
    »Entschuldige dich bei Lord Abe«, sagte Shigeru seufzend.
    »Es tut mir sehr Leid; es gibt gar keine Entschuldigung«, stammelte ich und verbeugte mich tief vor Abe und den Damen, während ich versuchte, Kaede nicht anzuschauen. »Ich habe noch spät studiert.«
    Dann sagte ich ehrerbietig zu Kenji: »Ich habe die Zeichenmaterialien mitgebracht, Meister.«
    »Ja, gut. Du wirst einige schöne Arbeiten in Terayama sehen und kannst sie vielleicht kopieren, wenn wir Zeit dazu haben.«
    Shigeru und Abe stiegen auf, der Pferdeknecht brachte Raku zu mir. Mein Pferd freute sich, mich zu sehen; es senkte die Nase auf meine Schulter und beschnupperte mich. Ich ließ mich dadurch aus dem Gleichgewicht bringen und stolperte. Dann ging ich auf Rakus rechte Seite und tat, als wäre das Aufsteigen ein Problem.
    »Hoffen wir, dass seine Zeichenkünste besser sind als seine Reitkunst«, sagte Abe höhnisch.
    »Bedauerlicherweise sind sie nicht ungewöhnlich.« Kenjis Ärger über mich war wohl nicht geheuchelt.
    Ich antwortete keinem

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