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Das Schwert in Der Stille

Das Schwert in Der Stille

Titel: Das Schwert in Der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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sagen?«
    »Wissen Sie noch, wie ich Ihnen sagte, Sie könnten jemanden mit einer Nadel töten? Ich will Ihnen zeigen, wie. Man weiß nie, wann man es braucht.«
    Sie zog etwas hervor, das wie eine normale Nadel aussah, doch als Kaede es in die Hand nahm, spürte sie, dass es stärker und schwerer war, eine winzige Waffe. Shizuka führte ihr vor, wie man die Nadel ins Auge oder in den Nacken bohrte.
    »Jetzt verstecken Sie sie im Saum Ihres Ärmels. Seien Sie vorsichtig, stechen Sie sich nicht damit.«
    Kaede schauderte halb entsetzt, halb fasziniert. »Ich weiß nicht, ob ich das tun könnte.«
    »Sie haben einen Mann im Zorn erstochen«, sagte Shizuka.
    »Das weißt du?«
    »Arai hat es mir erzählt. Die Menschen wissen nicht, wozu sie im Zorn oder aus Angst fähig sind. Tragen Sie jederzeit Ihr Messer bei sich. Ich wollte, wir hätten Schwerter, aber sie sind zu schwer zu verstecken. Wenn es zu einem Kampf kommt, ist es das Beste, einen Mann so schnell wie möglich zu töten und sein Schwert zu nehmen.«
    »Was wird passieren?«, flüsterte Kaede.
    »Ich wollte, ich könnte Ihnen alles sagen, aber es ist zu gefährlich für Sie. Ich will nur, dass Sie vorbereitet sind.«
    Kaede wollte noch mehr fragen, doch Shizuka murmelte: »Sie müssen still sein. Fragen Sie mich nichts, und sagen Sie zu niemandem etwas. Je weniger Sie wissen, umso sicherer sind Sie.«
    Kaede hatte ein kleines Zimmer am Ende des Hauses bekommen; es lag neben dem größeren Raum, in dem die Iidafrauen mit Lady Maruyama und ihrer Tochter wohnten. Beide Zimmer gingen auf den Garten an der Südseite der Residenz hinaus, und sie konnte das Klatschen des Wassers und das schwache Rauschen der Bäume hören. Die ganze Nacht spürte Kaede, dass Shizuka wachsam war. Einmal setzte sie sich auf und sah das Mädchen mit gekreuzten Beinen am Eingang, wo es vor dem Sternenlosen Himmel kaum zu erkennen war. Eulen riefen in den dunklen Stunden, und im Morgengrauen ertönten vom Fluss her die Schreie der Wasservögel. Es fing an zu regnen.
    Beim Zuhören war Kaede eingenickt; das schrille Kreischen der Krähen weckte sie. Der Regen hatte aufgehört, es war bereits heiß. Shizuka war angekleidet. Als sie sah, dass Kaede wach war, kniete sie sich neben sie und flüsterte: »Lady, ich muss versuchen, mit Lord Otori zu sprechen. Stehen Sie bitte auf und schreiben Sie ihm einen Brief, ein Gedicht oder so etwas. Ich brauche einen Vorwand, ihn wieder zu besuchen.«
    »Was ist passiert?« Das angespannte Gesicht des Mädchens erschreckte Kaede.
    »Ich weiß nicht. Vergangene Nacht habe ich etwas erwartet… es ist nicht geschehen. Ich muss herausfinden, warum.«
    Lauter sagte sie: »Ich werde die Tusche vorbereiten, aber meine Herrin darf nicht so ungeduldig sein. Sie haben den ganzen Tag, um passende Gedichte zu schreiben.«
    »Was soll ich schreiben?«, flüsterte Kaede. »Ich weiß nicht, wie man dichtet. Das habe ich nie gelernt.«
    »Es spielt keine Rolle, irgendetwas über eheliche Liebe, Mandarinenten, die Klematis und die Mauer.«
    Kaede hätte fast geglaubt, dass Shizuka scherzte, doch die Miene des Mädchens war todernst.
    »Hilf mir beim Anziehen«, sagte sie herrisch. »Ja, ich weiß, dass es früh ist, aber hör auf, dich zu beklagen. Ich muss sofort Lord Otori schreiben.«
    Shizuka zwang sich zu einem aufmunternden Lächeln in ihrem blassen Gesicht.
    Kaede schrieb etwas, sie wusste kaum, was, und so laut wie möglich befahl sie Shizuka, damit zu den Otori ins Gästehaus zu laufen. Shizuka ging scheinbar widerwillig, und Kaede hörte, wie sie sich leise bei den Wachen beklagte, hörte deren lachende Antwort.
    Sie rief nach den Mädchen, damit sie ihr Tee brachten, und als sie ihn getrunken hatte, schaute sie hinaus in den Garten; sie versuchte ihre Angst zu überwinden, sich zu beruhigen und so mutig zu sein wie Shizuka. Immer wieder tastete sie nach der Nadel in ihrem Ärmel oder nach dem glatten, kühlen Messergriff in ihrem Gewand. Sie dachte daran, wie Lady Maruyama und Shizuka sie gelehrt hatten zu kämpfen. Was hatten sie erwartet? Sie war sich vorgekommen wie ein Pfand in dem Spiel um sie herum, aber die beiden hatten wenigstens versucht, sie vorzubereiten, und sie hatten ihr Waffen gegeben.
    Innerhalb einer Stunde kam Shizuka mit einem Antwortbrief von Lord Otori zurück; er hatte leicht und kunstvoll ein Gedicht geschrieben.
    Kaede überflog es. »Was hat es zu bedeuten?«
    »Es ist nur ein Vorwand. Er musste etwas als Antwort schreiben.«
    »Geht

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