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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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wenn er sich in der Nähe aufhielt, so als gehöre er zu einem höheren Stand, mit dem man vorsichtig umgehen musste. Er spürte das. Ich konnte sehen, dass ihn unser Verhalten verunsicherte, aber daran konnte niemand etwas ändern. Er bestimmte über unsere Nahrung, also war er keiner von uns.
    Wir brachen früh auf am nächsten Morgen. Tau glitzerte wie Eis auf den satten, grünen Wiesen. Ein Adler saß auf einem Felsen und wärmte sein Gefieder in der Sonne. Er flog krächzend empor, als Diego an ihm vorbeiritt, und kreiste am Himmel. Ich folgte ihm eine Weile mit meinen Blicken, bemüht darum, Diego nicht anzusehen. Es erschreckte mich, wie sehr ich seine Berührung, den Klang seiner Stimme vermisste.
    Die Straße wurde schmaler, die Steinbrocken, die anfangs noch vereinzelt im Gras aufragten, wuchsen zusammen, bis sie zu schroffen, grauen Felsen wurden, die auf beiden Seiten unseres Weges steil emporstiegen. Hartes gelbes Gras klammerte sich an ihre Vorsprünge. Der Schatten der Felsen fiel über die Straße, raubte uns die Wärme des Sonnenlichts. Es wurde kühl. Ich blickte zurück auf das weite offene Land, das hinter uns lag. Als es hinter einer Biegung verschwand, erschien es mir bereits wie ein Traum.
    Wir sprachen nur wenig. Das Knirschen der Wagenräder und die Geräusche unserer eigenen Schritte hallten von den Felswänden wider. Konrad blieb dicht neben mir. Ab und zu sah er empor zu dem wolkenlosen blauen Himmel, der sich wie ein Fluss zwischen den Felsen hindurchwand. Er wirkte ergriffen, so als stünde er in einer Kathedrale.
    »Sie sind so hoch«, sagte er nach einer Weile.
    Ich dachte an das, was Diego gesagt hatte. »Und sie werden noch höher.«
    »Werden wir dann den Himmel noch sehen?«
    »Ich weiß es nicht. Frag Diego.«
    Konrad wich meinem Blick aus. »Vielleicht später.«
    Ich fragte mich, was er außer dem schrecklichen Wort noch gehört hatte.
    »Seht mal.« Erik tauchte neben uns auf. Er war atemlos und blass. Seit ein paar Tagen quälte ihn ein Durchfall, der sich trotz unserer Gebete nicht linderte. »Dort sind Häuser.«
    Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, ebenso wie alle anderen, die seine Worte gehört hatten. Über Köpfe und Schultern hinweg sah ich die Dächer einiger Hütten. Steine lagen auf dem dunklen Holz, vielleicht, damit es bei einem Sturm nicht weg gerissen wurde.
    Erik ergriff Konrads Hand. »Komm, wir sehen uns das an.«
    Ich hielt beide zurück. »Ihr wartet, bis wir alle dort sind.«
    Sie gehorchten murrend und mit zusammengepressten Lippen. Ein wenig vor uns, abgegrenzt von einer Schar der Jungen, die Lukas als »Wächter der Bescheidenheit« bezeichnete und die wir »die Brüder« nannten, hielt Lukas Nicolaus ebenfalls zurück.
    Der Kreuzzug kam zum Stehen. Nur Diego ritt voran, auf das Dorf zu. Ich kletterte auf einen Felsvorsprung und hielt mich an einem Grasbüschel fest. Es war so hart, dass man sich daran schneiden konnte.
    Das Dorf war klein. Es gab nur acht Hütten, vier auf jeder Seite, und ein größeres, zweistöckiges Gebäude, das wie ein Gasthaus aussah. Einige Türen standen offen, Habseligkeiten lagen verstreut davor, Stühle, Tische, ein paar Eimer. Ein Kalb stand kauend in der Mitte der Straße, verschwand jedoch zwischen den Hütten, als Diego sich näherte.
    Er sah in die Hütten hinein, ritt bis zum Ende des Dorfs und wendete sein Pferd. »Es ist niemand hier«, rief er. Seine Stimme brach sich an den Felsen. Ein Windstoß schlug eine der offenen Türen zu, und es klang wie ein Donnerschlag. Diegos Umhang flatterte.
    Lukas nickte den »Brüdern« zu. Eine Handvoll löste sich aus der Gruppe und lief zu den Hütten. Hugo führte sie an. Sie durchsuchten das ganze Dorf, blickten durch jedes Fenster und warfen Tische um, als glaubten sie, Ritter könnten sich da runter verbergen. Ihre Sorgfalt wirkte komisch. Sogar Gottfried grinste.
    »Er hat recht!«, rief Hugo schließlich. Ich sah, wie Diego das Gesicht verzog.
    Der Kreuzzug setzte sich wieder in Bewegung. Nicolaus schritt voran, Lukas und die Brüder folgten ihm.
    »Dürfen wir jetzt?«, fragte Konrad. Er wirkte ungeduldig.
    Ich nickte. »Aber macht nichts kaputt. Die Menschen, die hier wohnen, kommen bestimmt bald zurück.«
    Er und Erik liefen los, bevor ich den letzten Satz beendet hatte. Einige andere Kinder rannten hinter ihnen her. Cornelius war nicht darunter. Er blieb bei den Brüdern.
    »Das muss das Dorf der Leute sein, denen wir gestern begegnet sind«, sagte Lena. »Wieso

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