Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
Ich sah, wie die Männer dem Folterknecht und dem Jungen die Hand gaben und Ulf das Geld in seinen Beutel steckte. Erst dann bemerkten sie mich.
»Es gibt nichts mehr zu sehen«, sagte der Kleinere. »Geh zurück und fick deinen Bruder oder was auch immer ihr hier in diesem seltsamen Land macht.«
Die anderen beiden lachten.
Ich wusste nicht, was ich sagen würde, als ich den Mund öffnete. »Ich habe keinen Bruder.«
Das Lachen erstarb. Der Kleinere errötete sogar und senkte den Blick, Ulf verzog das Gesicht. »Verzeiht. Christoph dachte nicht, dass Ihr ihn verstehen würdet. Er hat einen derben Humor.«
Ich ging auf die Entschuldigung nicht ein. Auf Burg Drachenfels hatte ich oft genug erlebt, wie man mit denen umging, die unter einem standen. »Ihr seid Soldaten?«
»Ja. Wir dienen Seiner Heiligkeit. Wir hatten gehofft, ihn hier zu treffen, aber …« Ulf hob die Schultern.
»Er ist nicht mehr hier?«, fragte ich überrascht.
»Nein, vor einer Woche ist er nach Florenz aufgebrochen. Jetzt müssen wir ihm folgen und beten, dass er noch dort ist. Wir haben Befehl, den Gefangenen direkt zu ihm zu bringen.«
»Und auf dem Weg dorthin stellt ihr ihn aus?« Meine Stimme zitterte vor Erregung.
»Der Kardinal will es so. Ist gut für die Moral, sagt er.«
»Und für unseren Geldbeutel«, fügte Christoph hinzu.
Diego stöhnte in seinem Käfig. Ich hatte Angst, dass er auf wachen und mich erkennen würde. Wer konnte schon wissen, was er in seinem Zustand sagte.
»Ich möchte nicht unhöflich sein.« Ulf räusperte sich. »Aber wir müssen aufbrechen. Wir haben einen langen Weg vor uns.«
»Auf dem ich euch, wenn es keine Umstände bereitet, gern begleiten würde.« Ich spielte mit dem Geldbeutel an meinem Gürtel. »Ich würde euch für euren Schutz natürlich entlohnen.«
»Allein?«
»Ja. Ich wurde bei einem Unwetter von meiner Eskorte getrennt, aber ich bin sicher, dass ich sie in Florenz treffen werde.« Es war, als führe Gott meine Zunge; ich schien gar nichts Falsches sagen zu können. Ein Teil von mir hörte meinen Worten verwundert zu.
Ulf sah die anderen beiden an. Sie nickten knapp. »Ich habe nichts dagegen, wenn sie uns nicht aufhält«, fügte Christoph hinzu. Der dritte Mann schwieg.
»Ich habe ein Pferd«, sagte ich rasch.
»Dann ist es beschlossen.« Ulf wollte sich abwenden, aber ich hielt ihn auf.
»Dieser Gefangene ist doch hoffentlich nicht gefährlich, oder?«
»Und wie er das ist. Seine Heiligkeit verfolgt ihn seit Jahren. Dutzende Soldaten hat er schon umgebracht.«
Unwillkürlich dachte ich an den Abend in Speyer und die Männer, die uns angegriffen hatten.
Ulf schlug mit der flachen Hand gegen den Käfig. »Er schmuggelt teuflische Schriften ins Christenreich, und als wäre das nicht schlimm genug, spioniert er auch noch für die Sarazenen. Verdammter Jude.«
Ich spürte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich.
Christoph schien das zu bemerken, denn er legte eine Hand auf seinen Schwertgriff. »Aber habt keine Angst, wir werden nicht zulassen, dass er Euch etwas antut.«
Diego stöhnte in seinem Käfig. Ich wandte mich ab.
Kapitel 26
Er erwachte kurz hinter den Stadttoren.
Mit einer Hand tastete Diego nach seiner geschwollenen, verkrusteten Wange, seine Finger zuckten jedoch zurück, bevor er sie berühren konnte. Schmerzen verzerrten sein Gesicht.
Er sah sich um, und unsere Blicke trafen sich. Überraschung stand in seinen Augen, Verwirrung, Freude? Ich war mir nicht sicher.
»Starr die Dame nicht so an!« Christoph trat gegen die hölzernen Verstrebungen des Käfigs. Die Ketten, mit denen er verschlossen war, rasselten, das schwere Vorhängeschloss schlug hin und her.
Diego wandte den Blick nicht ab, ich schon. Ich sagte mir, dass ich es tat, weil ich einen Verräter und Ketzer nicht ansehen wollte, und nicht, weil ich befürchtete, dass ihn die Soldaten ansonsten bestrafen würden.
Ulf ritt neben mir auf einem alten, müden Pferd, das unter der Hitze zu leiden schien. Christoph saß zwischen Vorräten auf der Ladefläche des Karrens, die Hände im Nacken gefaltet, den Rücken gegen die Seitenwand gelehnt. Stummer saß auf dem Kutschbock und lenkte die vier Ochsen, die den Karren zogen. Ich hatte ihn noch nie sprechen hören.
»Er ist stumm«, sagte Ulf, als ich ihn danach fragte. »Wir dienen seit vielen Jahren zusammen, aber niemand weiß, wie er richtig heißt. Also nennen wir ihn Stummer.«
Ich starrte auf Stummers breiten Rücken. »Ihr hättet ihm einen
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