Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
bittet er außerdem darum, über all die den Kirchenbann auszusprechen, die bis zum nächsten Sommer nicht in ihre Dörfer und Städte zurückgekehrt sind und sich dort bei einem Priester gemeldet haben. Er hofft, dass damit Nachahmer abgeschreckt werden.«
Etwas krampfte meinen Magen zusammen. »Kirchenbann? Aber wir sind doch nur dem Engel gefolgt.«
»Du weißt nicht, wem ihr gefolgt seid.« Der Ärger war aus dem Gesicht des Kardinals verschwunden und durch Kälte ersetzt worden. »Ihr hättet einem Priester von der Vision erzählen und abwarten sollen, was er entscheidet. Ihr habt euch eure missliche Lage selbst zuzuschreiben. Aber«, fuhr er fort, bevor ich noch etwas einwerfen konnte, »dies sind, wie gesagt, die Wünsche von König Friedrich. Der Heilige Vater hat in seiner Weisheit beschlossen, ihnen nicht zu entsprechen.« Er stand auf. Das Pergament, das auf seinen Knien gelegen hatte, fiel zu Boden. »Erhebe dich, Weib.«
Ich folgte dem Befehl. Meine Knie waren weich.
»Hiermit spreche ich im Namen des Heiligen Stuhls und der einzig wahren Kirche den Bann über alle aus, die in ketzerischer Absicht dem Pilgerzug des falschen Propheten gefolgt sind.« Seine Stimme hallte durch den Raum. »Ein Jahr lang werden sie ausgeschlossen von den heiligen Sakramenten. In diesem Zeitraum soll kein Gottesacker ihre Gebeine aufnehmen, kein Priester ihre Beichte hören. Sie sind verdammt, fernab der Gläubigen in Dunkelheit zu wandeln, bis das Jahr vergangen ist.« Er sah mich an. Seine Mundwinkel zuckten. »Und du, Madlen, sollst in das Heim zurückkehren, das der Herr für dich bereitet hat. Dort sollst du einen Priester aufsuchen und deine Sünden gestehen. Erst wenn er beschließt, dass du wieder bereit bist, dich der einzig wahren Kirche zu unterwerfen, soll der Bann von dir genommen werden. Gott sei all euren Seelen gnädig.« Er stieß das Pergament mit dem Fuß beiseite. »Und nun geh mir aus den Augen, Weib. Du bist dem Herrn ein Gräuel.«
Der Kardinal drehte sich um und faltete die Hände hinter dem Rücken. Ich starrte auf seinen Hinterkopf, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Auf der anderen Seite des Raums raschelte es.
»Heiliger Vater!« Mit drei langen Schritten erreichte ich den Vorhang. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie der Kardinal he rumfuhr. Er rief nach der Wache.
Ich riss den Vorhang beiseite, erfasste den Raum mit einem Blick.
Eine gepolsterte Bank stand unter einem großen Gemälde, dahinter ein schwarzer Junge, der einen Fächer zusammenklappte. Der Mann, den ich hatte flüstern hören, war bereits bis zur Tür gegangen, zog sie gerade auf. Sein massiger Rücken verbarg den Gang, der vor ihm lag. Er wandte den Kopf.
Es war Jakob das Schwein.
Hände ergriffen meine Arme, zogen mich quer durch den Raum und hinaus in den Gang, aus dem ich gekommen war.
Die Menschen, die dort saßen, sahen überrascht auf. Der blinde Mann fragte etwas, seine Frau antwortete aufgeregt. Dann hatte ich den Gang auch schon verlassen.
Die beiden Soldaten hielten weiterhin meine Arme fest, zerrten mich die Treppen hinunter, meine Ellenbogen rieben gegen ihre Brustplatten. Ich wurde durch den Eingang nach draußen gestoßen.
Einer der Soldaten trat nach mir, traf jedoch nicht. Der andere schrie mir etwas auf Italienisch hinterher.
Ich stolperte in die Mittagshitze. Menschen blieben stehen und starrten mir nach. Vor dem Pranger wurde gejohlt und gepfiffen.
Ich lief an der Menge vorbei, floh zwischen die Marktstände und blieb irgendwann stehen. Mit zittriger Hand fuhr ich mir durchs Gesicht. Ich verstand nicht, was in dem Palast geschehen war, wieso Jakob das Schwein mit dem Kardinal gesprochen hatte, weshalb man uns mit dem Kirchenbann belegt hatte.
Die beiden Männer, neben deren Werkzeugstand ich stehen geblieben war, musterten mich, während sie vorgaben, ihre Waren zu sortieren. Ich bildete mir ein, dass sie sehen konnten, was ich war. Dass ich nicht mehr zu ihnen gehörte. Der Gedanke war furchterregend. Ich wagte es kaum noch, einen Blick auf die Kirche zu werfen und auf das Kreuz darauf. Ich hatte kein Recht mehr dazu.
Tief atmete ich durch. Es ließ sich nichts daran ändern. Ich musste Konrad und Hugo finden und all die anderen, die nicht ahnten, zu was sie geworden waren. Daran klammerte ich mich, als ich an den Ständen vorbei über den Platz ging.
Die Menge vor dem Pranger war größer geworden. Ich ging näher heran und entdeckte einen Karren, auf dem ein leerer großer Käfig stand.
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