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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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lächelte, dann kehrte sein Blick zum Dom zurück.
    Vater Ignatius stimmte ein Gebet an, und wir gingen auf die Knie und senkten die Köpfe. Es war Karfreitag, der Tag, an dem Jesus Christus für unsere Sünden gestorben war. Es war ungehörig, an einem solchen Tag fröhlich zu sein, aber wenn ich an das dachte, was vor mir lag, konnte ich nicht anders. Morgen, dachte ich, morgen werde ich sie sehen. Ich schämte mich, weil ich damit nicht die Heiligen Drei Könige meinte.
    Wir beteten und hielten Andacht, bis der Hafen in Sichtweite kam. Barken lagen an den Docks, Fischer breiteten ihren Fang auf Strohmatten vor ihren Booten aus, in Lumpen gehüllte Männer zogen schwer beladene Karren hinter sich her, eingespannt wie Ochsen vor einem Pflug. Kaufleute in feiner bunter Kleidung feilschten um Schlachtvieh, Gewürze und Stoffballen. Eine große Gruppe Mönche ging an den Docks vorbei, die Kapuzen ihrer braunen Kutten tief ins Gesicht gezogen, die Hände geschwärzt von Asche. Einige von ihnen geißelten sich rhythmisch bei jedem dritten Schritt. Ich sah ihnen nach, bis sie zwischen den Hütten verschwanden.
    Zwei Matrosen sprangen an Land, als unsere Barke anlegte, und vertäuten sie. Planken wurden ausgelegt, dann konnten wir endlich von Bord gehen.
    Mir wurde schwindelig, als ich festen Boden betrat. Als Kind war ich manchmal zusammen mit meinem Vater auf seinem selbstgemachten Floß am Ufer des Rheins entlanggefahren, wenn er Krebse und Muscheln gesucht hatte, doch auf einem richtigen Boot war ich noch nie gewesen.
    Ich trat zur Seite und senkte den Kopf, als der Ritter sein Pferd an mir vorbeiführte. Mit Hilfe von Vater Ignatius und Wilhelm saß er auf.
    »Alle zusammenbleiben!«, rief er mit rauer, heiserer Stimme, obwohl sich keiner von der Gruppe entfernt hatte. Um ihn nicht zu verärgern, rückten wir noch näher zusammen.
    »Köln ist eine gefährliche Stadt voller Diebe, Mörder und Juden«, fuhr er laut fort. Sein schwarzes Pferd tänzelte nervös unter ihm, als sei es die Stimme seines Herrn nicht gewöhnt. »Ein falscher Schritt, eine dunkle Gasse und ihr seid nicht nur eure Habe los, sondern auch euer Leben oder …«, er sah eine junge Bäuerin an, die ihr Haar offen trug, »… eure Jungfräulichkeit.«
    »Das kann ich gleich hier erledigen«, rief eine Stimme. Andere lachten.
    Ich sah mich um und bemerkte, dass sich Lastenträger und Händler um uns versammelt hatten. Sie stützten sich auf ihre Karren, lehnten an Kisten oder standen grinsend in der Sonne. Der Spott war ihnen an den Gesichtern abzulesen. Wir waren noch nicht richtig in Köln angekommen, und schon sorgten wir für ein Spektakel.
    Vater Ignatius trat an das Pferd des Ritters heran. »Vielleicht wäre es besser, diese Lektion in der Unterkunft fortzusetzen, Herr«, sagte er leise.
    Hubert von Alen sah zu ihm hinunter. Seine Augen waren blutunterlaufen. Er schwitzte. »Willst du mir Befehle erteilen?«
    »Natürlich nicht, Herr. Ich dachte nur, am Feuer mit einem Kelch Wein in der Hand spräche es sich leichter. Verzeiht meine Anmaßung.«
    Der Ritter zögerte. »Es gefällt mir«, sagte er dann getragen, als setze er zu einer Rede an, »deinen Vorschlag anzunehmen. Führt mich zu dieser Unterkunft.«
    »Ja, Herr. Folgt mir.«
    Ich bewunderte Vater Ignatius für seinen Mut und seine Klugheit. Die Menge begann sich bereits aufzulösen. Es gab nichts mehr für sie zu sehen.
    Wir blieben dicht zusammen. Eine ältere Bäuerin ergriff meine rechte Hand. Ich war mir nicht sicher, ob sie mir Kraft geben wollte oder selbst nach Kraft suchte.
    Wie eine Schafherde dem Stab des Schäfers folgten wir dem Ritter auf seinem Pferd. Vater Ignatius führte ihn durch schmale Gassen zwischen Häusern und Hütten hindurch. Wäsche hing an langen Leinen von den Dachfirsten über unseren Köpfen. Durch offen stehende Türen sah ich Bottiche, die über offenen Feuerstellen hingen. Frauen standen daneben und rührten mit Stangen im heißen Wasser. Ab und zu zogen sie Wäsche heraus und warfen sie in einen Korb. Ihre Gesichter waren rot und verschwitzt.
    »Es sind so viele«, sagte die Bäuerin neben mir, während ihr Blick über die Häuser und durch die Gassen glitt. »Für wen waschen sie all diese Wäsche?«
    Ich hätte ihr gern geantwortet, aber ich wusste es auch nicht. Konnte es wirklich sein, dass es so viele reiche Leute in nur einer Stadt gab? In Winetre kannte ich außer dem Grafen und dem Schultheiß niemanden, der Wäsche waschen ließ. Die meisten

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