Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
passiert: Es gefällt mir, es saugt ein, ist zu Zeiten gar richtig spannend: Meine Vorurteile sind plötzlich kein Schutz mehr.
Der Plot ist einfach genug: Eines 14-Jährigen Vater ist seinerzeit aus der Familie geflohen, wollte einfach doch noch ein eigenes Leben neu beginnen, der damals 14-Jährige ist mittlerweile ein Architekt in den Vierzigern und vollzieht dieselbe Flucht – nur anders, er flieht, wie sich herausstellt und gar nicht wirklich wichtig genommen wird, in die/zur Flasche … aber das ist bloß der sich spät aufdröselnde Rahmen (und ob der Durchsichtigkeit der Geschichte verrät man da auch nichts Wesentliches), die eigentliche Geschichte spielt in einem Paralleluniversum. In einem Traum, in einer Ohnmacht, in einer halluzinierten Wirklichkeit, in die der Architekt verfällt, als er irrtümlich (?) in den falschen Zug einsteigt und sich plötzlich (?) in der Heimatstadt seiner Kindheit wiederfindet – als, eben, 14-Jähriger: Im damaligen Familienverband, in der damaligen Schule mit den damaligen Mitschülern und Freunden – aber mit dem Bewusstsein des Erwachsenen. Da erlebt er nun nicht seine Jugend (und die ersten Räusche) noch einmal, sondern kann sie mit dem in ein paar Jahrzehnten angehäuften Wissen quasi gestalten, er weiß inzwischen, wie man mit Mädchen umgeht und ist ein, klar doch, guter Schüler (obwohl ich zu bezweifeln wage, dass ein Nicht-Architekt in derselben Lage mit Differenzialrechnungen nicht die gleichen Probleme hätte wie seinerzeit als 14-Jähriger) … und er will verhindern, dass sein Vater »in diesem Sommer« seine Familie verlässt, um nie mehr zurückzukommen.
Diese Geschichte handelt sich an quasi Bilderbuch-Charakteren ab, in alltäglichsten Situationen, und verdichtet sich zu einem fast melancholischen »Okay,-da-kann-man-nichts-machen!«-Schluss. Ich kenne das Original-Bilderbuch nicht (auch nicht den ebenfalls nach diesem Vorbild 2010 realisierten französischen Film Quartier Lontain ), das Hörspiel aber überzeugt: Andreas Fröhlich als (erwachsener) Protagonist Nakahara ist ein großartiger Sprecher an der Spitze einer richtig guten Besetzung, Martin Heindel ein Regisseur, dem an der Geschichte gelegen ist und nicht an vordergründigen Effekten. Ihm gelingt es, nicht nur den übergeordneten Spannungsbogen über die sechzehn Kapitel zu halten, sondern auch innerhalb der Kapitel = Situationen = Tatsachen eines Lebens immer wieder gleichsam »besonders« zu interessieren, ob das nun Quasi-Bedeutsames wie im Kapitel »Die Ahnentafel« oder bloß das Drumherum um einen Badeausflug mit der kleinen (lieben, aber nervigen) Schwester ist.
Was so erzählt wird, ist eine kleine Geschichte, sind viele kleine Geschichten, deren Summe kein großes Gewicht beansprucht, alltägliche Szenchen, wie sie sich in jeder Familie abspielen – wenn man unbedingt bedeutsam sein will, könnte man es mit der Suche nach dem eigenen Leben, mit dem Schlagwort »Selbstverwirklichung« oder gar mit irgendetwas mit »Glück« drin übersch/t/reiben … das ist aber alles gar nicht notwendig: Etwas, das überall und immer möglich ist, hat ja automatisch etwas »Universelles«: in beide Richtungen deutbar.
Weder Taniguchi (der dafür 2003 als erster Comic-Zeichner einen Dramatiker-Preis bekam) noch Heindel unterstreichen dabei die Kernaussage – womöglich mit belehrend drohendem Zeigefinger – über Gebühr: Was passiert ist – ist passiert. Unverrückbar. Klein, in kleinen Leben – wie eine Ausgangssituation in manchen Dick-Storys. Alles, was geschieht und überlegt wird, ist hier nachvollziehbar, weil wie selbstverständlich; der Wunsch des Buben, den Auszug des Vaters zu verhindern, sein Scheitern … Was passiert ist – ist passiert. Und kann nicht mehr korrigiert werden. Und musste wohl auch so passieren. Beeinflussbar ist nur die Zukunft, und auch die nur jeweils in der Gegenwart – kann man unterschreiben, auch wenn das, bloß nebenbei, den japanischen Ahnenkult mit einem Fragezeichen versieht.
Ein richtig gutes, unaufgeregtes Hörspiel des NDR (wenn auch mit dem immer noch dem Haptischen verhafteten CD-Freund und Brenn-Freak geradezu ärgerlichen 83 Minuten).
Ernst Petz
MAX VON MALOTKI
FUTUR III
Regie: Thomas Leutzbach · Westdeutscher Rundfunk 2012
Futur I. Fortschritte in der Mikroelektronik und Neurochirurgie haben Implantate möglich gemacht, über welche die Onlinevernetzung ungeahnte Ausmaße erreicht hat. Gleichzeitig spielen sich Teile des Lebens
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