Das sechste Opfer (German Edition)
abholen sollte, galt das mit Sicherheit auch für Carl Meyer, von dem hoffentlich noch keiner wusste, dass er verstorben war. Wie es klang, arbeiteten die Jungs autonom.
Dass Manuel ein Gebäude in Zehlendorf untersuchen sollte, konnte nur eines bedeuten: Etwas Wichtiges würde bald dort stattfinden, und dafür benötigten sie wahrscheinlich so viele Helfer wie möglich. Das Einzige, was mich nervös machte, war die Tatsache, dass der Akku des Handys nicht mehr lange halten würde. Aber zur Not musste ich eben ein Ladegerät dafür stehlen, auf eine Straftat mehr oder weniger kam es bei mir doch inzwischen nicht mehr an. Aber ich hoffte, dass ich nicht soweit würde gehen müssen.
Nachdem ich dreimal im Park eingenickt und panisch wieder hochgeschreckt war, weil mich ein Hund beschnüffelte und ich glaubte, dass sie mich jetzt gefunden hätten und verhaften würden, stand ich unruhig auf und ging umher. Ich konnte die kostbare Zeit nicht so ungenutzt verstreichen lassen. Wer weiß, was unterdessen noch alles gegen mich unternommen wurde! Ich musste etwas tun.
Es gab noch ein loses Ende, was mich die ganze Zeit beschäftigte, und dessen Rolle in dem Spiel ich immer noch nicht verstand: Clara. Zu wem gehörte sie und warum hatte sie mir das angetan?
Ich beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen, und lief in der warmen Frühlingssonne Richtung Ku'Damm, wo die Verwaltung meines Hauses ihren Sitz hatte. Ich selbst war noch nie dort gewesen, aber unsere Verträge hatten wir dorthin geschickt und uns darüber aufgeregt, dass die Verwaltung bei der Hausreinigung und den Reparaturen sparte, sich aber ein Büro am Ku'Damm leisten konnte.
Es war ein weiter Weg und ich geriet ziemlich ins Schwitzen, vor allem, weil ich gelegentlich Polizeiautos und Fußstreifen begegnete, vor denen ich mich unauffällig in Sicherheit bringen musste.
Schließlich stand ich vor dem imposanten Gebäude in der Nähe des Olivaer Platzes und klingelte. Sofort summte der Türöffner und ich ging hinein.
Innen war das Haus noch beeindruckender und erinnerte mich an das Gebäude, in der sich die Praxis von Anwalt Degenhardt befand. Dicke Teppiche bedeckten den Marmorboden im Eingangsbereich, riesige goldgerahmte Spiegel hingen an den Marmorwänden und jagten mir wieder einen Schreck durch die Glieder, als ich die Bewegung meines Körpers im Augenwinkel sah.
Im ersten Stock war das Büro und wieder summte sofort nach meinem Klingeln der Türöffner.
In der Falle
Ich trat ein und war sofort beruhigt, dass meine monatliche Miete für so sinnvolle Dinge wie ein monströses Aquarium am Fenster, einen echten Chagall an der Wand und die von Christo eigenhändig verpackte Harley des Eigentümers ausgegeben wurde. Eine blutjunge Sekretärin oder Assistentin mit einem bezaubernden Lächeln, das an die Blend-a-med-Werbung erinnerte, kam aus einem Büro und begrüßte mich, sobald ich im Flur stand. Sie hatte schulterlanges blondes Haar und dunkelbraune, leuchtende Augen. Ihr Rock war einen Hauch zu kurz für die Arbeit in einem seriösen Büro und ihre Schuhe einen Tick zu hoch. Aber sonst war sie absolut umwerfend, und wenn ich ihr in einem anderen Leben begegnet wäre, hätte sie mich mit ihren Reizen sicherlich ködern können. Aber heute hatte sie keine Chance.
»Hallo, meine Name ist Dirk Sandmann, ich habe gehört, dass im Süden der Stadt eine Ihrer Wohnungen frei wurde und ich interessiere mich dafür.«
»Sehr schön, ich sage Frau Lenz Bescheid«, lächelte sie ohne mit der Wimper zu zucken und ging wieder in das Büro, aus dem sie gekommen war.
Zehn Sekunden später kam aus ebendiesem Büro eine ältere Frau mit blondgefärbten langen Haaren, auftoupiert und im Nacken durch einen Pferdeschwanz zusammengehalten. Sie trug ein knallrotes Kostüm und passende rote Schuhe dazu. Ihr Gesicht hatte offenbar regelmäßigen Kontakt mit Botox, denn sie rührte keinen Muskel darin, als sie mit mir sprach.
»Herr Mann, schön, dass Sie kommen. Ich bin Frau Lenz, die Verwalterin mehrere Objekte in Berlin. Setzen Sie sich. Was kann ich für Sie tun?«
Wir setzten uns in eine weiche, ausladende Couchgarnitur, danach schilderte ich ihr mein Anliegen und wartete darauf, zum eigentlichen Zweck meines Besuches kommen zu können.
»Diese Wohnung steht erst seit kurzem leer, ist das richtig?«
»Ja, erst seit knapp einer Woche.«
»Und schon ist alles wieder in Ordnung?«
»Das ist es. Es ist alles sauber und neu renoviert.«
»War die vorherige Mieterin denn
Weitere Kostenlose Bücher