Das sechste Opfer (German Edition)
ordentlich?«
»Natürlich Sie können sich die Wohnung gern ansehen, wenn Sie möchten.«
»Später gern. Wie ist die Wohnung denn so? Still? Ruhig?«
»Ja. Die Straße davor ist ruhig, kein lauter Verkehr. Gegenüber ist es grün. Und wenn Sie sich nicht von Nachtigallen stören lassen ...« Sie versuchte ein Lächeln, das jedoch kläglich daran scheiterte, dass kein Muskel bereit war, die Arbeit zu leisten.
»Wohl kaum.« Ich lächelte zurück und war mir sicher, dass es locker und charmant wirkte. »Ich glaube Ihnen das auch. Aber wäre es vielleicht möglich, mit der Vormieterin Kontakt aufzunehmen, damit sie mir ihre Erfahrungen schildern kann?«
»Das können Sie versuchen, aber dabei kann ich Ihnen nicht helfen. Ich weiß nicht, wo sie jetzt ist.«
»Wo kam sie denn her?«
»Das weiß ich auch nicht. Ich habe sie nie gesehen. Viele meine Mieter bekomme ich nie zu Gesicht, sie schicken mir nur ihre Verträge und das war's.«
Das war bei mir auch so gewesen, es lief alles über den Makler.
»Hat sie keinen Arbeitgeber angegeben oder so was? Man muss doch seine Gehaltsabrechnung vorlegen.«
»Das ist richtig, aber die werden nicht archiviert. Die werden nur geprüft, ob der Mieter es schafft, monatlich die geforderte Miete zu zahlen. Und die habe ich auch nicht gesehen. Die sieht nur Frau Burg, die können Sie ja fragen. Sie ist so eine Art Maklerin für mich.«
Sie rief in das Büro nach Frau Burg, und die junge, blonde Frau kam herein. Aber Frau Burg konnte sich nicht daran erinnern, Clara jemals gesehen zu haben. Sie schüttelte bedauernd den Kopf. Ich dachte an den Mann, der mir die Wohnung vermittelt hatte und brachte ihn ins Gespräch, denn er hatte ja auch für diese Verwaltung gearbeitet. Aber sowohl Frau Lenz als auch Frau Burg schüttelten synchron ihre blonden Köpfe.
»Wir haben keinen Mann hier in diesem Büro, der für uns arbeitet. Das ist ein reines Frauen-Unternehmen.«
Jetzt war ich irritiert. »Und vor ein paar Monaten auch nicht? Da hat doch ein Mann einem Freund von mir eine Wohnung in Ihrer Anlage vermittelt.«
»Nein, das ist unmöglich. Völlig unmöglich.«
Das gab es nicht. Ich erinnerte mich noch genau daran, wie er mir seine Karte in die Hand drückte und erklärte, dass er für diese Verwaltung arbeitete. Und als ich zugesagt hatte, händigte er mir den Mietvertrag aus. Ich war so mit diesen Gedanken beschäftigt, dass ich völlig überhörte, wie in der Ferne Polizeisirenen ertönten.
»Das kann nicht sein.«
»Tut mir leid.«
Frau Lenz setzte wieder ihr Un-Lächeln auf und nickte ihrer Assistentin/Maklerin zu. »Frau Burg bringt Ihnen einen Kaffee. Oder wollen Sie lieber Tee?«
Ich schüttelte den Kopf. In meinem Hirn arbeitete es noch immer. War es möglich, dass Clara schon viel früher begonnen hatte, ihr Netz zu spinnen? Wenn die beiden hier die Wahrheit sagten, dann wurde ich bereits länger als angenommen manipuliert. Dann hatte sie mich ausgesucht, ganz gezielt. Dann war wohl sogar der Unfall mit dem Kerl, der sich Makler nannte, gar kein Unfall gewesen, sondern inszeniert. Und ich war drauf hereingefallen. Aber warum? Und wofür?
Die Polizeisirenen kamen näher. Ich hörte sie jetzt sehr wohl, brachte sie aber in keiner Weise mit mir in Zusammenhang. Ich brauchte doch einen Kaffee.
Frau Lenz lehnte sich kühl in ihrem Sessel zurück. »Der Kaffee kommt sofort. Sie werden die Wohnung lieben, und Ihre Frau bestimmt auch.«
»Meine Frau?«
»Ja.« Jetzt wirkte sie irritiert und unsicher. »Sie sind doch verheiratet, oder?!«
»Ja, bin ich.« Irgendetwas machte mich unruhig. Vielleicht war es ihre Stimme und dass Frau Burg mit dem Kaffee nicht zurückkam. Oder ihr unruhiger Blick, der ständig zur Tür wanderte. Und dass sie jetzt wirkte, als ob sie lieber in der Hölle wäre, als mit mir zusammen zu sein.
Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Sie wusste es. Und die Sirenen galten mir.
Ich sprang auf. »Was haben Sie getan?!«
Sie zuckte zusammen und rannte in gebückter Haltung in das Büro. Frau Burg flitzte ebenfalls über den Flur in das Büro, knallte die Tür hinter sich zu.
Ich sah mich panisch um. Aus dem Fenster im ersten Stock zu springen war eine Möglichkeit, wenn nicht schon unten die Polizei warten würde. Ich riskierte einen Blick zum Fenster hinaus und wich sofort erschrocken zurück. Dort standen sie, die Gewehre im Anschlag. Mehrere Polizeiautos blockierten die Straße.
Ich rannte zur anderen Seite des Flurs, lief um die eingewickelte Harley
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