Das sechste Opfer (German Edition)
mit den Küchenmessern war, als ein Gewehr schussfertig zu bekommen. Aber dieser Katalog war ein gutes Versteck für das Notizbuch mit seiner verräterischen Widmung, denn hier würde Nicole niemals nachschauen.
Inzwischen war ich fest davon überzeugt, dass Clara mit ihrer Idee Recht hatte. Eine Reportage über einen Bankmanager, über dessen Arbeit und den Druck, der in der freien Wirtschaft herrschte, war genau das, wovon ich Ahnung hatte und was mir mit Sicherheit Spaß machen würde. Das wäre nicht nur eine neue Herausforderung für mich, sondern der Beweis für Nicole, dass ich durchaus in der Lage war, ein Ziel in meinem Leben zu verfolgen.
Als ich ihr allerdings am Abend die Idee mitteilte, wurde ich unsanft aus meinen Träumen geholt. Sie erkannte weder meine lobenswerten Ambitionen, noch die Brisanz und Aktualität des Themas. Sie war müde und wollte ins Bett. Über meine Pläne lachte sie nur.
»Ein Buch? Wie willst du das denn durchhalten? Du jammerst doch jetzt schon, dass du die Artikel nicht schaffst.«
»Das wäre etwas anderes. Da gäbe es erst einmal keine Deadline, so dass ich Zeit dafür hätte. Also, was hältst du davon?«
Sie kroch unter die Decke und ignorierte meine Worte völlig. Stattdessen kam nur ein wohliges »Ah« von ihr, als sie sich in das warme Bett kuschelte.
Ich stand vor ihr und sah sie erwartungsvoll an. Als sie meinen Blick spürte, zog sie erstaunt die Augenbrauen hoch.
»Was ist?«
»Ich hatte dich gefragt, was du davon hältst.«
»Wovon?«
»Von dem Buch.«
»Das war also wirklich ernst gemeint?«
»Ja, natürlich.« Ich war verärgert.
»Darf ich dich an das Buch zum 35. Hochzeitstag meiner Eltern erinnern? Du bist nie über die erste Seite hinausgekommen.«
»Weil du mir nicht genügend Informationen geliefert hast. Ich konnte mir ja schlecht etwas ausdenken, wenn es um fünfunddreißig Jahre einer realen Ehe geht.« (Und ich hatte einfach keine Lust, meine Zeit mit dem langweiligen Leben meiner Schwiegereltern zu vergeuden.)
»Und was war mit dem Buch, das du als gepfefferte Antwort auf ›Sex and the City‹ und den klischeehaften Ansatz über Männer und Frauen und die Missverständnisse dazu schreiben wolltest?«
»Das Thema war zu der Zeit schon mehr als durch. Jeder hat etwas dazu geschrieben, da musste ich nicht auch noch mitmischen.« (Außerdem hatte ich festgestellt, dass ich zu dem Thema nicht so sonderlich viel sagen durfte, wenn ich weiter mit Nicole leben wollte.)
»Und unsere Hochzeitsreise, über die du einen Reisebericht verfassen wolltest?«
»Der Reisemarkt ist so voll, da hat man ohne gute Kontakte keine Chance.« (Und von Mauritius hatten wir eigentlich gar nicht so viel gesehen, weil wir die meiste Zeit im Hotelzimmer verbracht hatten.)
»Ich will damit nur sagen, dass du schon viele Versuche unternommen hast, mal etwas anderes zu schreiben als deine Artikel und diese Versuche alle kläglich gescheitert sind.«
Sie stand wieder auf und lief mit nackten Füßen ins Wohnzimmer, während ich mich verärgert ins Bett legte. Als sie zurückkam, hielt sie einen zerknitterten Fetzen Papier in der Hand, den sie gerade strich und mir reichte. Unbehaglich erkannte ich, dass es sich um die Visitenkarte ihres Schulfreundes handelte.
»Ruf ihn an, Peter. Das wäre echt ein guter Posten für dich.«
»Ich denk drüber nach.« Ich legte das Papier auf den Nachttischschrank und machte das Licht aus. Dann rollte ich in der Dunkelheit zu Nicole und küsste ihren nackten Arm.
»Soll ich dir beweisen, was ich auf einem anderen Gebiet so drauf habe?« Meine Küsse erreichten ihren Hals. Doch sie schob mich von sich.
»Das weiß ich schon, Peter. Außerdem bin ich müde. Das war ein anstrengender Tag. Gute Nacht.«
»Gute Nacht.«
Ich rollte zurück.
Draußen prasselte der Regen auf die schlafende Stadt herunter. In meinem Schlafzimmer ertönte das gleichmäßige Atmen meiner Frau, während das Weiß der Visitenkarte in der Dunkelheit mahnend leuchtete. Doch das interessierte mich nicht mehr. Ich hatte meinen Entschluss gefasst. Frederic würde niemals etwas von mir hören, stattdessen würde ich Nicole beweisen, dass ich mehr konnte, als Wirtschaftsdaten zusammenzufassen. Wahrscheinlich war es besser, meine Arbeit an der Reportage erst einmal für mich zu behalten, aber ich würde sie schreiben. Auf jeden Fall.
***
Regentropfen trommelten an diesem frühen Morgen ohne Unterlass auf die blechernen Leichen, die verkrüppelt, geschunden und zerstört auf dem
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