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Das sechste Opfer (German Edition)

Das sechste Opfer (German Edition)

Titel: Das sechste Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Johannson
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jetzt verabredet?«
»Sind wir.«
Der Kopf verschwand und kurz darauf ertönte der Summer an der Tür. Ich öffnete und trat ein.
Das Treppenhaus war dunkel, ein paar Stufen führten nach oben zur Erdgeschosswohnung, wo sich die Tür öffnete und der Kopf samt dazugehörigem Körper im Rahmen erschien.
»Kommen Sie. Nur keine Scheu. Ich öffne normalerweise nicht die Tür, wenn ich niemanden erwarte.«
Ich ging die paar Stufen nach oben und gab dem Unbekannten die Hand. Er war etwas größer als ich, um die fünfzig und wirkte wie ein Fels von einem Mann. Er erinnerte mich an eine gepflegte Version von Reinhold Messner, mit sonnengebräunter Haut, leuchtenden Augen und einem dichten, dunklen Bart, der von vielen silbernen Fäden durchzogen war.
Er bat mich herein.
Innen sah ich mich unauffällig um, während er mir den Weg in sein Arbeitszimmer wies.
Die Wohnung wirkte sehr praktisch und wenig gemütlich. Er lebte offenbar allein.
Als ich ins Arbeitszimmer trat, erwartete mich ein ähnliches Bild. Ein ordentlich aufgeräumter Schreibtisch mit zwei Stühlen stand vor dem Fenster, den Rest des Raumes füllten Regale mit Ordnern und Büchern aus. Aber auch hier gab es weder ein Bild an der Wand, noch eine Blume oder andere Dekoration, nichts.
In einem Regal neben dem Schreibtisch fielen mir sofort mehrere Bücher ins Auge, die alle von demselben Autor stammten: Dr. Sebastian Gruneveld.
Er bemerkte meinen Blick. »Haben Sie sie gelesen?«
»Nein«, gab ich zu. Aber irgendwie kam mir der Name bekannt vor.
In seine funkelnden Augen schlich sich plötzlich Misstrauen. »Was wollen Sie von mir? Sie haben keine Ahnung, wer ich bin. Hab ich Recht?«
Ich beschloss, ihm die Wahrheit zu sagen. Also begann ich zu erzählen. Ich begann bei Andreas Werners Tod und endete beim Fund dieser Telefonnummer. Erst danach bot er mir einen Stuhl an und setzte sich ebenfalls. Er sah nachdenklich zum Fenster hinaus, als würde er eine Berechnung über die Häufigkeit der Regentropfen anstellen.
»Ich habe Andreas Werner auf einer Tagung kennen gelernt und mich mit ihm über Geschäftliches unterhalten«, erzählte er schließlich. »Er schien sehr nett, vielleicht ein bisschen blauäugig, aber auch sehr ehrgeizig. Ich hatte das Gefühl, dass er seine Arbeit liebte, aber keine Ahnung hatte, was eigentlich auf ihn zukommen würde. Das war, als er gerade Senior Manager für European Business Development and Trading Relations geworden war. Was für ein Titel.« Er schnaubte verächtlich. »Wir trafen uns in Brüssel und sprachen über seine Zukunft, über die Zukunft der Bank und ihrer europäischen Verbindungen. Er war sehr euphorisch. Ich versuchte, ihn zu dämpfen, aber das war zwecklos.«
Sein Blick wurde plötzlich klarer und er sah mich mit dem Anflug eines Schmunzelns an. »Vielleicht sollte ich mich Ihnen erst einmal vorstellen. Ich bin Sebastian Gruneveld, der Vorsitzende und Gründer der Organisation für Transparenz in Europa, kurz OTE.«
Auf einmal fiel bei mir der Groschen. Natürlich kannte ich seinen Namen. Er brachte jährlich einen Bericht darüber heraus, was in der EU auf wirtschaftlicher Ebene alles schief lief, wo Gelder verschwanden, wo er Vetternwirtschaft vermutete und wer seiner Meinung nach völligen Mist verzapft hatte. Und jedes Jahr vermied ich es, ihn zu lesen, weil ich wusste, dass es mich nur frustrieren würde, wenn ich erfuhr, wie viele Milliarden Euro durch Misswirtschaft und Behörden-Unsinn regelmäßig verloren gingen. Er war ein Verfechter der Demokratie auf europäischer Ebene und verlangte absolute Transparenz in allen Bereichen der EU. Er machte sich vor allem gegen den Lobbyismus stark und schaffte es immer wieder, verborgene Informationen aufzudecken und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Er hatte diverse Bücher geschrieben, die alle Bestseller waren und die Machenschaften von Politik und Wirtschaft gnadenlos aufdeckten.
Ich räusperte mich kurz, um von meiner peinlichen Unwissenheit abzulenken und um meine Fassung wiederzufinden. Ich saß einer Koryphäe gegenüber, dem Magier der europäischen Wirtschaftspolitik, dem Führer einer einzigartigen Demokratie-Bewegung, und ich hatte mich bei ihm gründlich blamiert.
Er schien mein Unbehagen zu bemerken. »Ich weiß nicht, was Andreas Werner von mir gewollt haben könnte, er hat nie Kontakt zu mir aufgenommen. Tut mir leid, ich weiß nicht, wie ich Ihnen da weiterhelfen kann.«
Ich nahm das seltsame Zeichen von Andreas Werners Handschuhfachklappe,

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