Das sechste Opfer (German Edition)
das ich auf einem Zettel bei mir trug, und zeigte es ihm. Er schüttelte zwar den Kopf, wurde aber wieder sehr nachdenklich.
»Ich kann Ihnen nicht genau sagen, was es bedeutet, aber ich habe es schon einmal gesehen. Ich weiß nur nicht, in welchem Zusammenhang. Woher haben Sie es?«
Ich erzählte ihm von dem Schrottplatzfund und dem Kugelschreiber im Safe. Er runzelte die Stirn. »Ich werde mal ein bisschen graben und versuchen herauszufinden, was es bedeutet. Ich habe so eine Vermutung, aber ich bin mir nicht sicher.«
»Was für eine Vermutung? Mir würde alles helfen.«
»Es gibt Gerüchte über eine Ansammlung von wirtschaftlicher Macht ungewohnten Ausmaßes. Eine Gruppe, die angeblich ganz Europa beherrscht, aber wie gesagt, es sind nur Gerüchte.«
»So eine Art Mafia?«
Er lachte kurz auf. »Nein, viel schlimmer. Wenn es diese Gruppe wirklich gäbe, wäre die Mafia ein Kindergarten dagegen. Es ist mehr eine Machtkonzentration. Ein paar Menschen, die über alles bestimmen. Ein kleiner Kreis, der Regierungen wie Marionetten tanzen lässt, der Europa wie einen Kuchen aufgeteilt hat und sich alles nimmt, was er braucht. Eine kleine Gruppe, die Sieben Zwerge, die das schlafende, unschuldige Schneewittchen Europa bewachen, nur dass es kein ›Wer hat von meinem Löffelchen gegessen‹ gibt, weil sie sich friedlich darüber einigen, wer wessen Löffelchen oder Tellerchen oder Stühlchen benutzen darf.«
Er setzte sich aufrecht hin und fuhr mit großen Augen fort. »Ich bin den Gerüchten schon einmal gefolgt und habe versucht, dieser Gruppe nahe zu kommen, aber ich bin gescheitert. Kläglich gescheitert. Wenn es sie wirklich gibt, verwischen sie ihre Spuren dermaßen gut, dass niemand ihr Geheimnis erfährt. Oder lange genug lebt, um es auszuplaudern. Ich weiß es nicht, aber vielleicht komme ich über Andreas Werner wieder etwas weiter. Vielleicht ist er der Sache auf die Spur gekommen, auf seinem Posten hätte er schon gewisse Einsichten gewinnen können.« Seine Augen glänzten gierig. Er hatte Feuer gefangen.
Ich konnte mir jedoch noch immer kein richtiges Bild machen von dem, was er mir sagen wollte, weshalb ich noch einmal nachfragte. »Wie soll diese Machtkonzentration denn aussehen?«
»Stellen Sie sich den normalen Lobbyismus vor. Der hat in den vergangenen Jahren dermaßen überhandgenommen, dass man von einer objektiven Politik kaum noch sprechen kann. Lobbyisten wie die Bertelsmann-Stiftung oder der European Chemical Industry Council lassen sich für das Europaparlament akkreditieren und werden wegen ihres Wissens auf gewissen Gebieten sogar direkt angesprochen und um Hilfe und Rat gefragt. Abgeordnete sitzen bei Konzernen im Aufsichtsrat, wie bei VW, und lassen sich von denen eine Menge Geld zahlen, damit die Interessen des Konzerns auch in der Politik genügend berücksichtigt werden. Inzwischen werden Gesetze, zum Beispiel in Bezug auf Atomkraft, Biotechnologie und Urheberrecht, erlassen, von denen jeder weiß, dass sie lediglich den Interessen der Konzerne dienen und nicht denen der Bevölkerung. Sehen Sie sich doch den ganzen Unfug an, da könnte ich Ihnen Unmengen von Beispielen aufführen.«
Das war mir ebenfalls bekannt. »Aber was hat das nun mit dieser Machtkonzentration auf sich?«
»Nehmen sie diese Lobbys und multiplizieren Sie das mit Unendlich.«
»Was?« Ich verstand ihn nicht.
Seine Stimme wurde ganz eindringlich. »Stellen Sie sich vor, dass es ein paar Menschen in Europa gibt, die über diese Lobbys nur müde lächeln, weil sie sowieso alles in der Hand haben. Dass die großen Industriegruppen Europa aufgeteilt haben und sich gegenseitig die Bälle zuspielen. Wissen Sie, ich bin darauf gekommen, als vor ein paar Jahren plötzlich alle verrücktspielten, weil auf einmal angeblich so viel Feinstaub in den Städten lag. Ist es nicht merkwürdig, dass von heute auf morgen zufällig ein großer französischer Autohersteller in den Startlöchern stand und genau zu dieser Zeit ein Dieselauto mit Feinstaubfilter angeboten hat? Können Sie sich vorstellen, dass das alles inszeniert war, um den Verkauf dieser Automarke anzukurbeln? Vielleicht gibt es bald einen Skandal, der einem angeschlagenen deutschen Auto wieder auf die Beine hilft, und danach sind die Italiener dran oder ein anderes deutsches oder französisches Auto. Es werden Atomunfälle inszeniert, um die Installation von Windkraftanlagen zu fördern. Banken krachen ein und schocken die Menschen mit einer Finanzkrise, um sie für ihre
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