Das sechste Opfer (German Edition)
denn er war Staatsanwalt. Staatsanwalt Wozniak.
Ich konnte mir zwar denken, dass sie mich zum Tod von Dr. Gruneveld befragen wollten, schließlich hatte ich ihn gestern am Nachmittag noch besucht und war dabei gesehen worden, aber wieso sich ein Staatsanwalt bemühte, das überstieg meine Vorstellungskraft. Außerdem kam mir sein Name irgendwie bekannt vor, ich konnte ihn nur nicht einordnen.
Ich bot den Beamten einen Kaffee an, doch sie lehnten ab und kamen sofort zur Sache.
»Sie sind Peter Mustermann?« Hauptkommissar Bechthold, der Polizist in Zivil, hatte eine angenehme, dunkle Stimme. Er sah überhaupt ganz sympathisch aus, war groß und schlank, hatte dunkles, lockiges Haar und lebendige braune Augen, die Wärme ausstrahlten. Schmitz war etwas kleiner und kompakter und wirkte weniger aufgeschlossen. Sein blondes Haar war etwas zu lang, um gut auszusehen, vor allem, nachdem er seine Dienstmütze abgenommen hatte. Seine hellen Augen musterten aufmerksam meine Wohnung und blieben schließlich an mir hängen. Er redete nicht.
»Ja, das bin ich«, antwortete ich.
»Sie sind allein? Wo ist Ihre Frau?«
»Sie ist zu ihren Eltern gefahren.«
»Verstehe.«
Das bezweifelte ich.
Der Staatsanwalt sah sich forschend um, als würde er mir nicht glauben und suchte nun meine Frau hinter der Stehlampe.
»Was kann ich für Sie tun?« Ich hatte keine Lust, lange um den heißen Brei herumzureden. »Ich nehme mal an, es geht um Dr. Gruneveld, ich habe es gerade in den Nachrichten gehört.«
Bechthold hob leicht die Augenbrauen. »Was haben Sie gehört?«
»Dass er erschossen wurde. Das stimmt doch, oder?!«
»Ja, das stimmt.« Jetzt schaltete sich der Staatsanwalt ein. Er blickte mich kaum an, sondern sah sich noch immer in meiner Wohnung um. »Sie waren gestern bei ihm, was wollten Sie von ihm?«
Während der Verkehrsmeldungen hatte ich noch überlegt, ob ich die Polizei einschalten und ihr von meinem Verdacht erzählen sollte, doch in diesem Moment verließ mich der Mut. Es klang alles viel zu verworren und unglaubhaft. Wenn dieser Bechthold allein gekommen wäre, hätte ich ihm vielleicht alles erzählt, aber die kalten Augen des Staatsanwaltes sorgten dafür, dass mir die Worte in der Kehle stecken blieben. Also brauchte ich jetzt eine gute Erklärung.
»Ich bin Redakteur beim Financial Report und hatte ein paar Fragen an ihn für meinen nächsten Artikel.«
»Sie haben gerade eine kleine Auszeit genommen, an welchem Artikel schreiben Sie?«
Ihr Wissen von meinem Kurzurlaub überraschte mich, denn das bedeutete, dass sie sich sehr genau nach mir erkundigt hatten.
»Es ging um Allgemeines. Es ist immer gut, Hintergrundwissen zu haben.« Das klang lahm, aber mir fiel nichts Besseres ein. Leider wirkte daraufhin auch Hauptkommissar Bechthold etwas weniger mitfühlend. Schnell ließ ich mir noch etwas einfallen. »Er ist eine Koryphäe für Fragen zur Europäischen Wirtschaft, und ich habe da noch jede Menge Lücken. Ich wollte in meinen nächsten Artikeln etwas mehr auf diese EU-Sachen eingehen, deshalb.« Das klang besser, doch die Skepsis bei Bechthold blieb.
»Ein Zeuge hat sie in das Haus von Dr. Gruneveld gehen und es kurz danach wieder verlassen sehen. Es waren wohl sehr schnelle Antworten?« Wozniaks Stimme war so eisig wie ein gefrorener Wasserfall. Doch Bechthold wartete meine Erwiderung nicht ab, sondern nahm das Gespräch sofort wieder in die Hand. »Hat er Ihnen die richtigen Antworten geben können?«
»Richtige Antworten? Ja, ich denke schon. Es war jedenfalls sehr interessant. Er ist ein sehr kluger Mann, das heißt, er war ein intelligenter Mann. Hat er eigentlich Familie?«
»Wie lange genau waren Sie bei ihm?«
»Vielleicht eine halbe Stunde. Länger nicht.«
»Worum ging es genau bei Ihrem Gespräch?« Der Staatsanwalt betrachtete meine Couchgarnitur, als würde er ihren Wert abschätzen, um sie auf dem Basar zu verkaufen.
»Wie gesagt, um allgemeine Fragen zur Europäischen Wirtschaft. Um Absatzmärkte und Verknüpfungen zwischen den einzelnen Staaten. Es war sehr interessant.«
»Das sagten Sie schon.«
Hauptkommissar Bechthold schaltete sich erneut ein. »Ein Zeuge hat Sie bei Ihrem Wagen stehen sehen, von wo aus Sie in die Wohnung des Opfers gestarrt haben.«
»Ich habe nachgedacht und etwas in seiner Küche zu Bruch gehen hören, das war alles.«
Mir gefiel nicht, wie der Staatsanwalt mich ansah. »Sie waren der Letzte, der ihn lebend gesehen hat.« Seine Stimme ließ mein Blut zu Eis gefrieren.
»Nein,
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