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Das sechste Opfer (German Edition)

Das sechste Opfer (German Edition)

Titel: Das sechste Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Johannson
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Sie nickte wieder. »Ich hole ihn.«
Sie stand schwerfällig auf, um den Laptop aus dem Nebenzimmer zu holen. Während ich allein in dem warmen, nur schwach beleuchteten Wohnzimmer zurück blieb, überfiel mich ganz plötzlich eine solche bleierne Müdigkeit, dass ich kaum noch meine Augen offen halten konnte. Auf einmal spürte ich, wie sich die ganze Anspannung und die Erschöpfung wie ein Bleiumhang um mich legten. Aber ich durfte nicht einschlafen, ich wollte die arme Frau nicht noch tiefer in die Geschichte hineinziehen. Sie hatte schon genug gelitten. Eine Anklage wegen Beherbergung eines mutmaßlichen Straftäters konnte sie beim besten Willen nicht gebrauchen.
Deshalb erhob ich mich schwerfällig, als sie zurückkam, und nahm den Computer samt Netzkabel entgegen.
Sie bedauerte, dass ich schon gehen wollte, aber ich erzählte ihr, dass Nicole auf mich wartete. Die Müdigkeit lähmte mein Gehirn dermaßen, dass es mir unglaublich schwerfiel, diesen Satz grammatikalisch richtig zu Ende zu bringen, ihn überhaupt zu Ende zu bringen.
Sie nickte verständnisvoll. Doch als ich ihr Telefon auf einem kleinen Regal sah, kam mir eine andere Idee und ich stellte den Computer auf den Tisch.
»Dürfte ich Nicole anrufen und ihr sagen, dass es später wird? Ich bezahle für das Gespräch.« Ich versuchte, meine Konversation so kurz wie möglich zu halten, um Kraft zu sparen.
»Ach, das müssen Sie nicht bezahlen, Peter, das ist doch ein Ortsgespräch.«
Ich konnte sie leider nicht darüber aufklären, dass das Gespräch nach Rostock gehen würde. Dann wählte ich die vertraute Nummer im Norden der Republik. Frau Geier ging diskret hinaus, um sich noch etwas Pfefferminztee einzuschenken.
Nicoles Vater meldete sich beim vierten Klingeln mit angespannter Stimme.
»Ich hätte gern mit Nicole gesprochen. Es tut mir sehr leid, was passiert ist.«
»Sie kann nicht. Soll ich ihr was ausrichten?«
Ich überlegte für einen Moment, doch dann entschied ich mich dagegen. »Nein, danke. Wie geht es ihr?«
»Den Umständen entsprechend.«
Er klang jetzt doch sehr merkwürdig und ich fragte mich, was Nicole ihm wohl erzählt hatte. Doch plötzlich hörte ich Stimmen im Hintergrund. Nicole redete aufgebracht auf einen Mann ein.
»Habt ihr Besuch?«, fragte ich, doch noch während ich diese Frage stellte, wurde mir klar, wer dieser Besuch war. Die Polizei.
»Ja.«
Oh Gott. Ich war wieder hellwach.
»Ich war's nicht, ich hab es nicht getan. Das müsst ihr mir glauben!«
»Aha.«
Ich musste das Gespräch beenden.
»Ich war es nicht, verstehst du? Ich leg jetzt auf.«
Ich legte den Hörer auf und begann zu schwitzen. Wie konnte ich nur so ein Esel sein?! Jetzt wussten sie nicht nur, dass ich mich in Berlin aufhielt, jetzt hatte ich auch noch Franz' Mutter mit hineingezogen! Denn dass sie den Anruf lokalisieren würden, daran bestand kein Zweifel. Wahrscheinlich überwachten sie das Telefon meiner Schwiegereltern schon seit gestern.
Ich musste hier weg.
Ich schnappte mir Franz' Laptop und ging in die Küche, um mich von Frau Geier zu verabschieden. Dann eilte ich zur Tür hinaus und die Straße hinunter. Von der Polizei war nichts zu sehen, aber ich war mir sicher, dass sie jeden Moment hier auftauchen würde.
    Ich lief ein Weilchen ziellos durch die Straßen von Berlin, bis ich mich auf einer Bank in der Nähe der Hackeschen Höfe niederließ und darüber nachdachte, wie und wo ich die heutige Nacht verbringen würde.
Ich besaß nicht genügend Geld, um in ein Hotel zu gehen, und noch jemanden in Schwierigkeiten bringen, wollte ich auch nicht. Auf der anderen Seite hatte ich keine Lust, eine weitere Nacht schlaflos unter freiem Himmel zu verbringen.
Aufmerksam musterte ich die Gegend, ob es hier vielleicht zufällig einen vergessenen Bunker aus dem 2. Weltkrieg gab, mit zahllosen Konserven darin und einem weichen Bett für mich, aber ich sah nur glückliche Touristen, die in überfüllte Restaurant gingen und unglückliche, die wieder herauskamen, weil die Restaurants zu überfüllt waren. Einheimische junge Leute mit modischen Frisuren und trendigen Mänteln diskutierten wichtig über Politik und Theatertheorien, während sie ihre Fahrräder schiebend an mir vorübergingen. Eine Nutte warf mir einen vielversprechenden Blick zu, aber als sie meine erschöpften Augen sah, verzog sie sich rasch.
Ich spürte, wie die Müdigkeit sich in mir mit aller Macht zurückmeldete.
Es war nicht gut, wenn ich zu lange sitzen blieb. Also gab ich mir einen

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