Das sechste Opfer (German Edition)
Geräuschen beide offen zu halten.
Es dauerte sechs Stunden, bis jemand kam.
Ein Postbote warf einen Umschlag in das Fach, während er noch zahlreiche andere Post in den anderen verteilte.
Ich wollte gerade die Zeitung zur Seite legen und hingehen, um den Umschlag herauszuholen, als noch jemand kam, der sich für das Postfach interessierte.
Ich hatte das Gefühl, dass mein Blut auf einmal mit solchem Hochdruck durch meinen Körper schoss, dass mit ganz schwindelig wurde. Ich kannte ihn gut, und in den vergangenen Tagen hatte ich mir so oft gewünscht, ihn zu finden und zur Rede stellen zu können. Nun war er tatsächlich hier und kreuzte meinen Weg. Nur dieses Mal war er stocknüchtern.
Doch ich stellte den mutmaßlichen Killer von Dr. Gruneveld nicht zur Rede. Stattdessen versteckte ich mich hinter meiner Zeitung und beobachtete, wie er mit festen Schritten zum Postfach ging und es öffnete. Er holte den Umschlag heraus und wandte sich sofort wieder zur Tür.
In meinem Kopf rotierte es. Was sollte ich jetzt machen? Ihm folgen? Er war gefährlich, und ohne Fahrzeug hatte ich kaum eine Chance. Aber ich konnte ihn auch nicht einfach so entkommen lassen.
Ich warf die Zeitung von mir und lief ihm hinterher. Er ging zu einem silbernen BMW, der in paar Metern Entfernung parkte und schloss ihn auf.
In diesem Moment hielt ein schwarzer Volvo auf der Straße vor dem Postamt, machte die Warnblinkanlage an und versperrte mir die Sicht auf den BMW. Ein Mann in einem Trenchcoat stieg eilig aus und lief zum Briefkasten neben der Tür des Postgebäudes, ohne den Motor auszuschalten.
Das war die Gelegenheit. Ich rannte zu dem Volvo und beobachtete, wie der BMW aus seiner Parklücke fuhr und auf der Straße davon rauschte. In diesem Augenblick setzte ich mich in den Volvo. Auf dem Beifahrersitz lag die geöffnete Aktentasche des Fahrers.
Ich holte die Geldbörse heraus, während ich sah, wie der silberne BMW an der Kreuzung nach rechts abbog. Ich warf die Tasche hinaus und wollte gerade die Tür des Volvos zuknallen, als ein Arm dazwischen geriet. Der Fahrer war zurückgekommen und wollte sein Eigentum um jeden Preis behalten. Er schrie auf vor Schmerz, als er zwischen Tür und Türrahmen geriet, doch darauf konnte ich jetzt keine Rücksicht nehmen.
Ich schubste ihn weg und rief ihm ein entschuldigendes »Tut mir leid, aber das muss sein« zu. Er fiel rücklings auf die Straße neben seine Aktentasche, hielt seinen Arm und schrie etwas, was viele Leute auf uns aufmerksam werden ließ. Sie sahen mir hinterher, während ich davonbrauste und auf meiner persönlichen Kriminalitätsliste noch Autodiebstahl hinzufügte.
Doch dann verschwand der Tumult aus meinem Rückspiegel und damit aus meinem Bewusstsein, ich bog rechts ab und sah in einiger Entfernung den silbernen BMW vor mir.
An der nächsten Ampel würde ich ihn eingeholt haben.
Ich fuhr etwa zehn Minuten hinter dem Mörder von Dr. Gruneveld her, bis er in die ruhige Seitenstraße einer guten Wohngegend einbog. Hier war wenig Verkehr, ich musste aufpassen, dass ich ihm nicht auffiel. Ich blieb mit dem Volvo unter einem Baum am Anfang der Straße stehen und beobachtete, wie der BMW langsamer wurde und schließlich in einer Parklücke einparkte. Der junge Mann stieg aus, schloss den Wagen ab und ging zu einem Wohnhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Er drückte den obersten Klingelknopf, wie ich vom Wagen aus erkennen konnte, und wartete ein paar Sekunden, bis er eingelassen wurde und eintrat.
Mein Herz raste.
Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte. In der Ferne hörte ich Polizeisirenen, aber die nahm ich nur am Rande wahr. Meine Gedanken kreisten lediglich um eine Frage: Sollte ich hochgehen und den Mann zur Rede stellen oder nicht?
Er wohnte da nicht, das war eindeutig, sonst hätte er nicht geklingelt, das hieß, dass er in wenigen Minuten schon wieder verschwunden sein konnte. Vielleicht wartete dort nur sein nächstes, ahnungsloses Opfer?
Doch wenn ich ihm folgte, lief ich direkt in die Arme eines Killers. Was bedeutete, dass ich schon heute Abend auf dem Sektionstisch von Dr. Janosch liegen konnte.
Ich erinnerte mich an die Waffe in meinem Hosenbund, aber wenn ich ehrlich war, nützte die mir wenig, denn geschossen hatte ich schon seit Jahren nicht mehr. Und das gelegentliche Blättern in einem Jagdgewehr-Katalog machte mich noch lange nicht zu einem guten Schützen.
Ich holte die Waffe aus dem Hosenbund und sah sie mir genauer an. Es war eine
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