Das sechste Opfer (German Edition)
er mich im Sektionssaal sah. Dieses Mal roch es noch viel strenger. Eine offenbar ältere Leiche lag auf einem der Tische, die Brust klaffte auf. Kein schöner Anblick. Ich wich einen Schritt zurück.
»Na, sind Sie weitergekommen?«
»Ja, ein wenig.«
»Wollen wir uns wieder in der Cafeteria treffen?«
Ich nickte, doch dabei bemerkte ich, wie der Assistent, der mit der Leiche beschäftigt war, mich anstarrte. Als sich unsere Blicke kreuzten, wandte er sich schnell ab. Ich wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, aber ich vertraute Dr. Janosch. Der kannte bereits die halbe Geschichte und würde sich bestimmt nicht zu Dummheiten hinreißen lassen.
Ich wartete in der Cafeteria, doch Dr. Janosch tauchte nicht auf. Ich wurde unruhig.
Immer wieder lief ich zum Fenster, um zu sehen, ob sie mich verraten hatten, doch draußen blieb alles dunkel.
Nach ungefähr einer Stunde kam er schließlich, aber er blieb in der Tür stehen.
»Was wollen Sie?«
Aus seiner Stimme war sämtliche Wärme verschwunden. Meine Hoffnung, in ihm einen Mitstreiter gefunden zu haben, sank auf den Nullpunkt.
»Ich brauche Ihre Hilfe.«
»Ich helfe keinem Mörder, Räuber und Autodieb auf der Flucht. Sie waren ein Freund von Franz, deshalb gebe ich Ihnen fünf Minuten, um zu verschwinden, dann rufe ich die Polizei.«
»Ich habe den Mann nicht umgebracht, erinnern Sie sich bitte, dass ich Ihnen von den ›Sieben Zwergen‹ erzählt habe! Man will mir das anhängen! Aber ich habe endlich den wahren Mörder gefunden, ich weiß, wo er ist. Und dafür brauche ich Sie.«
»Ich sage es noch einmal: Verschwinden Sie.«
Es war zwecklos. Ich ging auf ihn zu. Er zögerte erst, dann wich er einen Schritt zurück, um mich vorbeizulassen.
Ich wollte ihm nicht wehtun, aber ich hatte keine Wahl.
In Sekundenschnelle zog ich die Beretta aus meiner Hose und hielt sie ihm an den Kopf. »Ich will das nicht tun, aber es geht nicht anders. Verpfeifen Sie mich nicht, bitte.«
Er sagte keinen Mucks, sondern sah mich mit weit aufgerissenen Augen an.
Nur einen Augenblick später nahm ich die Pistole wieder runter. Ich kam mir so lächerlich vor, und außerdem mochte ich den Mann auch. »Verdammt. Ich kann das nicht.«
Dr. Janosch war kalkweiß im Gesicht. »Ich rufe den Sicherheitsdienst.«
Er wollte die Stimme heben, um nach Hilfe zu rufen, doch ich hielt ihm den Mund zu und zerrte ihn zurück in die Cafeteria. Die Waffe steckte ich wieder in den Hosenbund.
»Bitte nicht, Dr. Janosch. Ich bin unschuldig. Es ist alles wahr, was ich Ihnen erzählt habe.«
Er glaubte mir nicht, das konnte ich ihm ansehen.
»Sie haben heute einen Mann niedergeschlagen und sein Auto gestohlen. Mein Assistent hat es im Fernsehen gesehen, Sie werden wegen Mordes, Raubes und Diebstahls gesucht.«
Der Volvofahrer hatte offenbar eine so exakte Beschreibung von mir abgeliefert, dass die Polizei mich sofort verdächtigte und jetzt ein aktuelles Fahndungsbild von mir veröffentlicht hatte.
»Ich brauchte sein Auto, um den wahren Mörder zu verfolgen.«
Langsam verzweifelte ich. Wer sagte mir, dass die Polizei nicht schon längst auf dem Weg hierher war. Sein Assistent hätte sie in der Zwischenzeit informieren können. »Warum glauben Sie mir denn nicht?«
»Weil Sie ein gesuchter Mörder sind.«
»Laut Polizei war ich das beim letzten Mal auch schon, und da haben Sie mir geglaubt. Es hat sich doch nichts geändert seitdem.«
Er schwieg.
Ich redete weiter auf ihn ein: »Erinnern Sie sich daran, was ich Ihnen über Franz erzählt habe? Der wurde genauso mundtot gemacht wie sie es mit mir vorhaben. Sie benutzen nur jedes Mal andere Mittel, damit es nicht auffällt.«
»Sie reden immer von ›denen‹, ›die‹, aber Sie nennen keine Namen. Wie soll ich Ihnen denn da glauben? Und meine Meinung über Franz und sein Ableben kennen Sie ja.«
Ich holte die Waffe wieder heraus und hielt sie ihm vor die Nase. »Wissen Sie was, Dr. Janosch? Wenn Sie es schon nicht freiwillig machen wollen, dann eben so. Sie werden jetzt Franz auseinandernehmen und mir sagen, ob er ermordet wurde.«
Er lachte kurz und hart auf. »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass er nicht mehr hier ist. Er ist im Beerdigungsinstitut.«
»Dann fahren wir eben dahin. Ich bin ja wieder motorisiert, wie Sie wissen.«
Er schüttelte den Kopf. »Das wird nicht mehr viel bringen, er ist bereits einbalsamiert, da ist nicht mehr viel übrig, vor allem sein Blut ist weg.«
»Aber Sie haben gesagt, dass man ihn auch später noch exhumieren und untersuchen kann.
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