Das sechste Opfer (German Edition)
Waschmaschinen steckte.
Ich musste jetzt los, die Gefahr, dass ich erkannt wurde, war einfach zu groß. Ich musste in Bewegung bleiben.
Als sie nicht hinsah, schnappte ich mir ihren leeren Plastikbeutel, den sie achtlos auf einer Waschmaschine liegengelassen hatte, und verschwand.
Mein erstes Ziel an diesem Morgen war die Adresse in Kreuzberg, die der Computer als Anschrift des jungen Mannes ausgespuckt hatte, der Gruneveld getötet haben musste.
Mein Herz klopfte, als ich mich der Bergmannstraße näherte. Vielleicht war hier meine Reise endlich zu Ende und ich konnte den wahren Täter überführen.
Ich ging die Straße entlang und näherte mich langsam der besagten Hausnummer, doch als ich davor stand, sanken meine Hoffnungen auf ein Minimum. Es war eine Kirche.
Ich kramte in meiner Erinnerung, ob ich mir die Nummer auch tatsächlich richtig gemerkt hatte, doch ich war mir absolut sicher.
Es wäre auch zu schön gewesen.
Um nichts unversucht zu lassen, rüttelte ich an der Klinke. Die Tür gab nach. Ich ging hinein.
Die Kirche war klein und dunkel, nur ein paar Strahlen der tief stehenden Sonne fanden ihren Weg durch die bunten Fenster in das Gebäude.
Ich finde die Stille in Kirchen immer unheimlich. Selbst wenn die Bänke voll besetzt sind, wagt es niemand, ein lautes Wort zu sagen. Und jetzt, als ich hier allein darin stand, war es noch unheimlicher. Ich hörte das Gebälk ächzen und das Rascheln der Mäuse unter dem Gestühl. Die dicken Steinmauern ließen nicht einmal den Straßenlärm hinein. Nur das Echo meiner Schritte hallte von den Wänden wider, und ich versuchte, etwas leiser aufzutreten. Doch sobald ich stehen blieb, hatte ich das Gefühl, unter dem Tuch der Stille zu ersticken. Also ging ich weiter. In der Sakristei vernahm ich Stimmen.
Ich wusste nicht, was mich erwarten würde. Wenn die Adresse stimmte, dann war es durchaus möglich, dass ich mich gerade im Hauptquartier der Geheimpolizei befand und gleich einem kaltblütigen Killer gegenüber stehen würde. Ich zögerte.
Doch dann beschloss ich zu handeln. Wenn ich mein altes Leben zurückhaben wollte, musste ich das Risiko eingehen. Vielleicht würden sie mich sofort umbringen, aber vielleicht auch nicht. Oder erst später.
Ich holte das Notebook, das ich samt Uniform in die nach alter Wäsche riechende Plastiktüte gesteckt hatte, heraus und fasste es fest an, um es notfalls wieder als Waffe zu benutzen, als mir einfiel, dass ich eine echte Waffe unter meinen Sachen trug. Ich hatte keine Ahnung, ob ich sie richtig benutzen konnte, aber zumindest fühlte ich mich etwas sicherer.
Ich ließ den Computer wieder in die Tüte rutschen, legte ihn auf den Boden, holte tief Luft und stieß die Tür auf. Meine freie Hand wanderte vorsichtshalber an meinen Hosenbund, doch als ich sah, wen ich da vor mir hatte, entspannte ich mich wieder.
Ein alter Mann in einem dunklen Cord-Anzug sprach mit einer Putzfrau. Beide sahen mich völlig erstaunt an, als ich so stürmisch zur Tür hereinplatzte.
Ich lächelte entschuldigend und erklärte ihnen, dass ich angeblich mit einem Freund an dieser Adresse verabredet sei, mich jedoch offensichtlich geirrt hatte.
Der alte Mann schüttelte das Erstaunen aus seinen weißen Haaren und nickte verständnisvoll.
»Das kommt vor.«
»Okay, dann, noch mal Entschuldigung.«
Die Putzfrau wandte sich wieder an den alten Mann. »Dann werden Sie das mit den Blumen klären, Herr Pfarrer?«
»Ja. Mache ich.«
Ich wollte mich gerade abwenden, als mir noch etwas einfiel. »Sie fahren nicht zufällig einen BMW?«
Der alte Pfarrer lachte. »Nein, ich besitze kein Auto. Hier in der Stadt ist das unnötig. Obwohl, wenn ich gelegentlich Post und Autowerbung bekomme und dann sehe, was für schöne Wagen es gibt, bekomme ich schon Lust. Aber ich brauche keinen. Ich weiß auch nicht, wieso die mich in ihrer Kartei haben und mir ständig Prospekte schicken.«
Ich ging etwas näher an ihn heran. »Von wem kommt denn die Post?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Irgendwelche Firmen auf Kundenfang. Ich habe dem Postboten schon Bescheid gesagt, dass er die Sachen gleich behalten kann, aber er hat gemeint, das darf er leider nicht. Aber jetzt schickt er alles an ein Postfach weiter, das wohl auch zu dieser Adresse gehört.«
Ich horchte auf. »Was für ein Postfach?«
»Der Postbote hatte keine Lust, sich ständig mit mir auseinanderzusetzen, da hat für mich ein bisschen recherchiert, wie man das so nennt. Und er hat ein Postfach
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