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Das siebte Kreuz

Das siebte Kreuz

Titel: Das siebte Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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dachte er später. – Wenn dem Georg nichts Gescheiteres einfällt, muß er heut nacht noch mal bei mir bleiben. Hat auf diesen Sauer geschworen. Gut, daß es mich gibt.
     
     
     
    »Rühren kannst du doch mit einer Hand, wenn du sonst nichts kannst«, sagte die Liesel zum Georg. »Klemm die Schüssel zwischen die Knie!« – »Was wird das? Ich muß immer zuerst wissen, was ich mache.« – »Das werden Dampfnudeln, Dampfnudeln mit Vanillesauce.« Georg sagte: »Da rühr ich dir bis übermorgen.«
     
    Aber er hatte kaum angefangen zu rühren, als ihm der Schweiß ausbrach. So schwach war er noch. Und die vergangene Nacht, wie ruhig sie gewesen war, war im kranken Halbschlaf vergangen. Einen von beiden, Schenk oder Sauer, dachte Georg, muß er getroffen haben. Schenk oder Sauer, rührte er, Schenk oder Sauer.
     
    Von der Straße her kam das Rollen von Fässern und das uralte Abzähllied von den taufrischen Stimmen junger Kinder. Maikäfer flieg – Der Vater is im Krieg – Die Mutter is im Pommerland – Pommerland is abgebrannt. – Wann war das doch gewesen, daß er sich bitter danach gesehnt hatte, hinter einem gewöhnlichen Fenster lieber Gast zu sein? In einer dunklen Torfahrt war er gestanden, in Oppenheim am Rhein, hatte auf den Fahrer gewartet, der ihn nachher herunterwarf. – Nebenan klopfte die Liesel die Betten, schimpfte einen der Knaben, lehrte den anderen bis zehn zählen, zog eine Naht auf der Nähmaschine, sang, füllte eine Kanne, tröstete ein Geschluchze, verlor ihre Geduld in zehn Minuten zehnmal beinahe, schöpfte sie aber doch immer wieder zehnmal aus welchen unerschöpflichen Brunnen? – Wer glaubt, hat Geduld. Aber an was glaubt die Liesel? Nun, an das, worauf’s ankommt. Daß, was sie tut, seinen Sinn hat.
     
    »Komm doch, Liesel, und stopf einen Strumpf, setz dich mal zu mir –« – »Jetzt? Strümpfe? Erst muß der Stall gemistet werden, sonst verkommst du vor Dreck.« – »Ist der Teig fertig gerührt?« – »Der ist erst fertig, wenn er Blasen zieht.« – Wenn sie wüßte, was mit mir ist, würde sie mich wegjagen? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Solche geplagten Liesels, an alle Unbill gewöhnt, haben meistens Mut.
     
    Liesel ruckte die Bütte vom Herd auf den Waschbock, stellte das Waschbrett vor ihre Brust, rieb so mächtig, daß sich auf ihren runden Armen Stränge zeigten. – »Warum eilst du denn so, Liesel?« – »Nennst du das eilen? Soll ich mich zwischen je zwei Windeln auf dem Absatz rumdrehen?«
     
    Wenigstens hab ich das alles noch mal von innen gesehen. Geht das immer so weiter? Wird das immer so
    weitergehen? Liesel fing schon an, ein paar Stücke quer durch die Küche aufzuhängen. »So, jetzt gib mir mal deine Schüssel her, siehst du, das nennt man Blasen.« Auf ihren arglosen, derben Zügen lag eine kindliche Freude. Sie stellte die Teigschüssel auf den Herd, legte ein Tuch darüber.
     
    »Wozu tust du das?« – »Da darf kein Lufthauch dran, weißt du das nicht?« – »Ich hab’s vergessen, Liesel, hab schon lange nicht mehr zugesehen.«
     
     
     
    »Nehmen Sie das Biest an die Leine«, schrie Ernst der Schäfer. »Nelli, Nelli!« – Nelli zittert vor Wut, wenn sie Messers Hund riecht, Messers Hund ist ein roter Jagdhund. Er bleibt am Waldrand stehen, schlägt mit dem Schwanz und verdreht seinen langen Kopf mit den lappigen Ohren nach seinem Herrn, dem Herrn Messer.
     
    Messer hat gar keine Leine, ist auch nicht nötig, denn dem Hund ist die Nelli in ihrer Aufregung einerlei. Er hat sich austoben können, jetzt freut er sich auf die Heimkehr. Vorsichtig steigt der alte Messer mit dem dicken Bauch über den Draht weg, der sein eigenes Waldgrundstück von dem Schmiedtheimer Wald abtrennt. Der Schmiedtheimer Wald ist Buchenwald mit einem Strich Tannen am Rand. Der Zipfel, der Messers gehört, besteht nur aus Tannen. Sie ziehen sich in einzelnen losen Gruppen bis hinter das Haus, über das ihre Gipfel herausstehen.
     
    »Frauchen, Frauchen«, säuselt Herr Messer. Er hat sein Jagdgewehr über der Schulter. Er hat seinen Schwager besucht von seiner verstorbenen Frau, der in Botzenbach Förster ist.
     
    Frauchen, das soll die Eugenie sein, denkt der Ernst. Komisches Frauchen. Nelli zittert so lange vor Wut, wie der Schwaden von Messers Hundegeruch über dem Feld steht. »Ernst, sei so gut!« ruft die Eugenie. »Ich stell dir das Essen aufs Fensterbrett.«
     
    Ernst setzt sich schräg, damit er die Schafe im Auge behält. Abgesottene

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