Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
nachfolgenden Reiter weiterzureichen. Auf diese Weise sollten sie eine Kette bilden, die verhinderte, dass sie sich im Dunkeln verloren.
»In der Ledertasche hinter eurer Sattellehne findet ihr alle wichtigen Dinge: Mäntel, Decken, Wasser, Proviant und Feuersteine mit Zunder, außerdem dies hier.« Dex hielt für alle sichtbar einen schmalen silbernen Stirnreif in die Höhe, an dessen Vorderseite ein weißer Edelstein schimmerte. Er streifte ihn über seine Kappe, sodass der Stein wie ein drittes Auge wirkte. »Dieser Lichtreif ist der wichtigste Gegenstand unserer Mission. Solltet ihr ihn verlieren, werdet ihr der Finsternis des Labyrinths nie mehr entkommen. Sobald ihr das magische Wort für Licht – Jeth – aussprecht, beginnt der Stein zu leuchten, und ihr könnt im Dunkeln sehen.«
Jeder holte einen Stirnreif aus der Tasche. Als sie das Zauberwort aussprachen, flammten die Kristalle auf.
»Wie lange leuchten sie?«, fragte Eilenna mit besorgtem Unterton.
Dex konnte sie beruhigen. »Ihre Kraft ist unerschöpflich. Sie können bis in alle Ewigkeit Licht spenden, auch wenn ihr schon längst tot neben ihnen liegt.«
»Du verstehst es, einem Mut zu machen«, meinte Chast trocken.
Dex bleckte freudlos die Zähne.
»In den Gängen herrscht ewige Nacht«, fuhr er fort, »und man verliert allzu leicht das Zeitgefühl. Ich trage deshalb diese Blütenknospen bei mir.« Er hielt einen Zweig einer Pflanze empor, an dessen Verzweigungen kleine blaue Knospen zu erkennen waren, die ein zarter Flaum umgab. »Sie stammen von einer Pflanze, die in Atala Yurai genannt wird. Sie hat die Eigenschaft, ungefähr alle fünf Stunden eine der vielen Knospe zu öffnen, auch wenn sie sich an einem abgeschnittenen Zweig wie diesem hier befinden. Auf diese Weise werden wir Tag und Nacht bestimmen.«
In diesem Augenblick schlossen sich die Torflügel krachend hinter ihnen. Die Gefährten fuhren erschrocken zusammen. Das Geräusch hallte metallisch durch die Gänge und verlor sich im Nirgendwo. Nun spendeten nur noch die Stirnkristalle Helligkeit.
In ihrem Licht konnten sie ein gewaltiges Gewölbe erkennen. Irgendwo in luftiger Höhe verjüngte es sich, doch die Lichtstrahlen drangen nicht weit genug in die Finsternis vor. Man konnte seine Größe nur erahnen.
Die kalte Luft ließ die kleine Gemeinschaft frösteln. Ihr Atem verwandelte sich in weiße Wölkchen.
Dex verstaute den Zweig mit den Yurai-Knospen in einer Seitentasche. »Zieht nun besser eure Mäntel an. Hier unten istes kalt wie im ... Wie nennt ihr diese Jahreszeit auf der Erde? Winter?«
Dies war ein Rat, den sie sich nicht zweimal sagen ließen. Die Sättel und die breiten Rücken der Ykaliri boten genug Platz und Stabilität, dass sie sich anziehen konnten, ohne abzusteigen. Dankbar hüllten sie sich in die dick mit Pelz gefütterten Umhänge, Urisk und Eilenna breiteten zusätzlich Decken über ihre Beine. Der Fairin zitterte vor Kälte am ganzen Leib und blickte eingeschüchtert auf die felsige, finstere Umgebung. Sein Ykaliri spürte seine Unruhe, tänzelte nervös und scheute.
»Sag deinem windigen Freund, er soll sich zusammen reißen, sonst wird sein Tier durchgehen und ihn abwerfen«, sagte Dex gereizt zu Tenan. »Ich werde mich durch keinen Nachzügler aufhalten lassen, dass das klar ist!«
Tenan sprach beruhigend auf den unglücklichen Fairin ein und legte dessen Ykaliri die Hand auf den Kopf. Erstaunlicherweise wurde das Tier sogleich ruhiger und stieß gurrende Laute aus, obwohl Tenan nur die dicken Panzerplatten berührt hatte.
»Warum tragen unsere Tiere diese Rüstung?«, fragte er Dex. »Engt sie nicht ihre Freiheit ein?«
»Eigentlich setzen wir die Ykaliri im Krieg ein, aber der Schutz gegen Verletzung ist nicht der wichtigste Zweck der Panzerung. Normalerweise leben die Tiere im Wasser und bewegen sich schwimmend fort. Sie gehen bloß selten an Land, und wenn, dann nur, um Blätter von Bäumen zu fressen. Eigentlich können sie nur eine kurze Zeit außerhalb des Meeres verbringen; auf festem Boden sind sie zu schwer, ihr Körper und ihre Haut brauchen den Halt der Panzerung und die Feuchtigkeit darunter. Die Panzerplatten ermöglichen es ihnen, längere Zeit außerhalb des Wassers zu leben. Du kannstes selbst nachprüfen: Fasse mit einer Hand zwischen zwei Platten, und du wirst die feuchte Haut der Tiere spüren.«
Tenan zog es vor, dem Fisk-Hai auch so zu glauben.
Der Tross bewegte sich gemächlich in einer Reihe voran. Die Ykaliri
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