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Das Siegel der Tage

Das Siegel der Tage

Titel: Das Siegel der Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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las über die damalige Zeit, Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, eine Epoche des Umbruchs in der westlichen Welt. Die demokratischen Ideen der Französischen Revolution veränderten Europa und wurden zum Ausgangspunkt für die Unabhängigkeitskriege in den amerikanischen Kolonien. Napoleons Grande Armée eroberte etliche Länder, darunter Spanien, wo die Bevölkerung einen erbitterten Guerrillakrieg führte, der die Franzosen schließlich aus dem Land vertrieb. Es war die Zeit der Piraten, Geheimbünde, des Sklavenhandels, der Zigeuner und Pilger. In Kalifornien geschah dagegen rein gar nichts Romantaugliches; hier gab es bloß ausgedehntes Grasland mitKühen drauf, Indios, Bären und ein paar spanische Siedler. Ich mußte Diego de la Vega nach Europa verfrachten.
    Da meine Recherche Material im Überfluß zutage förderte und die Hauptfigur bereits existierte, bestand meine Arbeit vor allem darin, mir eine abenteuerliche Handlung auszudenken. Unter anderem reiste ich mit Willie auf den Spuren des berühmten Piraten Jean Lafitte nach New Orleans und sah so diese brodelnde Stadt, ehe der Wirbelsturm Katrina sie zu einer Schande für das ganze Land degradierte. Im French Quarter hörte man Tag und Nacht Bläser und Banjos, die rauchigen Bluesstimmen, den unwiderstehlichen Lockruf des Jazz. Auf der Straße wurde getrommelt, und die Leute tranken und tanzten. Die Farbe, die Musik, das Aroma ihrer Küche und die Magie dieser Stadt – es hätte für einen ganzen Roman gereicht, aber ich mußte mich mit einer Stippvisite von Zorro begnügen. Heute versuche ich mir New Orleans ins Gedächtnis zu rufen, wie es damals war, in seiner ausgelassenen Karnevalsstimmung, mit seiner Mischung tanzender Menschen aller Hautfarben, seinen alten Wohnvierteln, den mächtigen Bäumen – Zypressen, Ulmen, blühenden Magnolien – und den schmiedeeisernen Balkonen, auf denen vor zweihundert Jahren die schönsten Frauen der Welt die Abendkühle genossen, die Töchter senegalesischer Königinnen und der Zucker- und Baumwollbarone, die damals dort das Sagen hatten. Doch die Bilder von New Orleans nach dem jüngsten Sturm wollen nicht weichen: schmutzige Fluten, und die Bewohner, immer die ärmsten, im Kampf gegen die Zerstörungskraft der Natur und die Untätigkeit der Behörden. Sie wurden zu Flüchtlingen im eigenen Land, wurden ihrem Schicksal überlassen, während der Rest der Nation, wie vor den Kopf geschlagen von Bildern, die befremdlich wirkten, als stammten sie aus Berichten über den Monsun in Bangladesch, sich fragte, ob die Regierung wohl die Hände ebenso in den Schoß gelegt hätte, wären die Betroffenen in der Mehrheit Weiße gewesen.
    Ich verliebte mich in Zorro. Auch wenn ich seine erotischen Abenteuer im Buch nicht so ausführlich schildern durfte, wie ich gewollt hätte, konnte ich sie mir doch ausmalen. In meiner bevorzugten erotischen Phantasie klettert der sympathische Held leise auf meinen Balkon, liebt mich im Dunkeln mit dem Einfühlungsvermögen und der Bedachtsamkeit eines Don Juan, ohne auf meine Zellulitis oder die allzu vielen Jahre zu achten, und verschwindet bei Tagesanbruch wieder. Ich döse noch ein wenig zwischen den zerwühlten Laken und habe nicht die leiseste Ahnung, wer dieser Schöne gewesen sein kann, der mir solche Freuden beschert hat, denn er hat die Maske nicht abgenommen. Es gibt keine Schuld.

Sommer
    Der Sommer kam und mit ihm das geschäftige Treiben der Bienen und Eichhörnchen; der Garten stand in voller Blüte, und Willies Allergien blühten mit, weil er es niemals wird lassen können, seine Nase in jede Rose zu stecken. Die Allergien hindern ihn nicht daran, monumentale Grillspektakel zu veranstalten, an denen auch Lori sich beteiligt, die ihre lange vegetarische Phase für beendet erklärte, als Miki Shima, der sich nicht weniger vegetarisch ernährte als sie, ihr den ärztlichen Rat gab, mehr Eiweiß zu essen. Der warme Pool lockte scharenweise Kinder und Besucher an; die Tage streckten sich in der Sonne, waren lang und vergingen langsam, ohne Uhr, wie in der Karibik. Einzig Tabra fehlte, weil sie sich gerade auf Bali aufhielt, wo einiges gefertigt wird, was sie in ihren Schmuckstücken weiterverarbeitet. Gefiederte Echse war eine Woche mit ihr auf der Insel gewesen, mußte dann jedoch aus Angst vor den Schlangen und den Meuten räudiger und hungriger Hunde nach Kalifornien zurückkehren. Anscheinend war eine kleine grüne Schlange über seine Hand geglitten, als er gerade die Tür zu

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