Das silberne Schiff - [Roman]
Problem ist, dass ich ihnen nicht mehr verheimliche, wie stark ich bin. Es war mir irgendwann egal geworden. Ich lasse sie sehen, wie schnell ich rennen und wie hoch ich klettern kann.«
Sie vergrub das Gesicht im schwach gestreiften Fell an Brises Hals. Ich trat von einem Fuß auf den anderen und war mir nicht sicher, ob ich zu ihr gehen oder sie in Ruhe lassen sollte. Dann hob sie wieder den Kopf, und diesmal schwang Furcht in ihren Worten mit. »Sie haben Angst vor mir. Wie kann man Freunde haben, wenn alle Angst vor einem haben?«
Liam räusperte sich. »Dann schließ dich unserer Sippe an. Akashi wird dich beschützen.«
Das war eine Lüge. Akashi würde es versuchen, aber er war nur ein einzelner Mann. Kayleen wusste das. Sie schüttelte den Kopf. »Nava würde mich bei euch finden und mich zur Rückkehr zwingen. Wir werden viel weiter fortgehen.« Sie deutete mit einem Nicken auf die Vorderseite der Kabine und lenkte unsere Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm.
Dort war zu sehen, was sie von Anfang an gemeint hatte. Das Bild zeigte Islandia, einen langen, dünnen Landstreifen, der vom rot glühenden Feuer des großen Vulkans Lohe dominiert wurde. Der südliche Rand des Kontinents berührte fast den Äquator. Dort zerrissen starke Strömungen die Küste zu hundert Buchten und Landspitzen, wo die Berge, die als Islandias Zähne bezeichnet wurden, ins Meer stürzten. Niemand auf Fremont war jemals dort gewesen. Die Kolonisten hatten keine Gleiter, nur Shuttles, mit denen sie alle paar Jahre zu ihrem Schiff, der Weltenreise , und wieder zurück flogen.
Ich starrte das Bild an, von der Vorstellung fasziniert, Islandia aus der Nähe zu sehen. Dann schüttelte ich den Kopf, um diesen verrückten Gedanken zu vertreiben. Ich konnte Akashi und Mayah und Sasha und Tiger und alle anderen nicht im Stich lassen!
Liam brach die Stille, bevor ich es tun konnte. »Ich komme nicht mit.«
Kayleens Antwort bestand darin, wieder beruhigend auf Brise einzureden und sich dann neben dem Tier auf den Boden zu setzen.
Sie schloss die Augen.
Liam ging zu ihr hinüber und hob ihr Kinn an.
Sie öffnete ein Auge und sah ihn an. »Vorsicht! Wir könnten abstürzen.« Das Auge schloss sich wieder, und ihre Muskeln entspannten sich unter ihrer Haut. Das Gebra stupste sie sanft mit der Nase an, aber wie es schien, war es mit Kayleens erschlaffter Haltung vertraut. Das Tier hob den Kopf und beobachtete mich und Liam mit ruhiger Miene.
Die Brennende Leere hob ab und bewegte sich unter meinen Füßen. Es gab keine Fenster. Benommen machte ich drei Schritte, bis ich an Liams Seite war, und legte eine Hand um seinen Oberarm. Ich hätte genauso gut nach einem Stein greifen können. Er starrte unverwandt auf den Bildschirm.
Liams Sippe hielt große Stücke auf ihn. Er war der designierte Erbe von Akashi. Seine lange Zeit als Lehrling seines Adoptivvaters hatte ihm so viel Respekt eingebracht, dass seine Befehle genauso unwidersprochen befolgt wurden wie die von Akashi oder Mayah. Seine Loyalität galt in erster Linie der Sippe und nicht Kayleen. Diese Machtlosigkeit musste für ihn ein Schock sein.
Das Bild zeigte nun den offenen Höhleneingang, dann das Gebüsch, dann den blauen Himmel, als wir emporstiegen. Eine Kamera am Bug des Gleiters? Die Beschleunigung verstärkte sich. Ich legte meine freie Hand auf eine Sitzlehne, um einen sicheren Halt zu haben.
Liam löste sich aus meinem leichten Griff, so dass ich fast hingefallen wäre. Er drehte sich nicht um. Er ging nur zu einem vorderen Sitz, nahm steif darauf Platz und starrte geradeaus.
Kayleen rührte sich und blinzelte, als hätte sie eine Woche lang geschlafen. Sie ächzte. »Entschuldigung. Ich musste mich darauf konzentrieren, uns aus der Höhle zu manövrieren.«
Liam reagierte überhaupt nicht mehr.
Sie musterte seinen Rücken, und ihr Gesicht zeigte eine Mischung aus Sehnsucht und Verwirrung.
Auf dem Bildschirm war zu sehen, wie wir die Wolken erreichten und in einem weiten Kreis flogen. Mein Magen drehte sich ebenfalls. Ich setzte mich. Flogen wir wirklich wie die Vögel? »Werden die Menschen uns hier oben sehen?«, fragte ich.
Kayleen grinste. »Das hoffe ich. Ich will, dass die Vagabunden wissen, was geschieht: dass wir uns davongemacht haben. Ich mag sie, weil sie euch mögen, und ich möchte nicht, dass sie sich Sorgen machen.«
»Sie werden sich Sorgen machen«, sagte Liam trocken. »Man könnte dich auch in Artistos sehen.«
Kayleen zuckte mit den
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