Das Silmarillion
sollte.«
»Vielleicht«, sagte Galadriel. »Doch nicht von mir.«
Und Melian sprach mit Galadriel nicht mehr von diesen Dingen; König Thingol aber berichtete sie alles, was sie über die Silmaril erfahren hatte. »Dies sind große Dinge«, sagte sie, »größer noch, als die Noldor selbst es begreifen; denn das Licht von Aman und das Schicksal von Arda liegen nun in diesen Steinen verschlossen, dem Werk Feanors, welcher dahin ist. Nicht durch die Macht der Eldar werden sie zurückgewonnen werden, das sage ich voraus; und die Welt wird bersten in den Schlachten, die kommen werden, ehe man sie Morgoth entreißt. Sieh nun, Feanor haben sie den Tod gebracht und manchem andren, wie ich errate; der Erste aber von allen, die um ihretwillen gestorben sind und noch sterben werden, war Finwe, dein Freund. Morgoth hat ihn erschlagen, ehe er aus Aman floh.«
Da war Thingol stumm, voll Kummer und Vorahnung, zuletzt aber sagte er: »Nun freilich verstehe ich, wonach ich mich oft gefragt, warum die Noldor aus dem Westen gekommen. Nicht zu unserer Hilfe sind sie gekommen (es sei denn aus Zufall); denn jene, die in Mittelerde wohnen, überlassen die Valar ihrem eigenen Schicksal, bis in die äußersteNot. Zur Rache sind sie hier und zum Rückgewinn dessen, was sie verloren. Doch umso treuer nur werden sie als Bundesgenossen gegen Morgoth sein, mit dem sie, wie nun anzunehmen, niemals Frieden schließen werden.«
Melian aber sagte: »Gewiss, aus diesen Gründen sind sie gekommen, doch aus andren ebenso. Nimm dich in Acht vor Feanors Söhnen! Der Schatten des Zorns der Valar lastet auf ihnen, und sie haben Schlimmes getan, ich seh es, in Aman wie auch gegen ihr eigenes Volk. Ein Zwist, den man nur in Schlaf gewiegt hat, liegt zwischen den Prinzen der Noldor.«
Und Thingol antwortete: »Was bedeutet das für mich? Von Feanor weiß ich nur aus Berichten, nach denen er fürwahr ein Großer gewesen ist. Von seinen Söhnen höre ich nicht viel, das mir behagte, doch werden sie gewiss die bittersten Feinde unsres Feindes sein.«
»Zwei Schneiden werden ihre Schwerter haben und ihre Ratschlüsse«, sagte Melian, und dann sprach sie nicht mehr davon.
Nicht lange darauf begann man unter den Sindar zu flüstern, was die Noldor getan, ehe sie nach Beleriand kamen. Gewiss ist, woher diese Gerüchte stammten, und die schlimme Wahrheit darin war durch Lügen verschlimmert und vergiftet. Die Sindar aber waren noch arglos geneigt, Worten zu glauben, und Morgoth (wie man sich wohl denken kann) erkor sie zum ersten Ziel seiner Tücke, denn sie kannten ihn noch nicht. Und Círdan, als er diese dunklen Geschichten vernahm, war besorgt; denn er war klug und erkannte gleich, dass sie, ob wahr oder falsch, zu dieser Zeit nur aus Tücke ausgestreut sein konnten; doch meinte er, von den Prinzen der Noldor gehe die Tücke aus und von der Eifersucht zwischen ihren Häusern. Er sandte Boten zu Thingol, um ihm alles zu berichten, was er gehört.
Es traf sich, dass zu der Zeit Finarfins Söhne wieder bei Thingol zu Gast waren, denn sie wollten ihre Schwester Galadriel sehen. Da sprach Thingol tief bewegt und im Zorn zu Finrod: »Übel hast du an mir gehandelt, Anverwandter, so großes Übel vor mir zu verbergen. Denn jetzt habe ich von allen Untaten der Noldor erfahren.«
Finrod aber antwortete: »Was habe ich dir Übles getan, Herr? Oder was haben die Noldor in deinem ganzen Reiche Übles getan, das dich kränkt? Weder gegen dich, den König, noch gegen einen aus deinem Volk haben sie Übles getan oder gedacht.«
»Ich staune über dich, Earwens Sohn«, sagte Thingol. »Kommst du zur Tafel deines Oheims mit blutigen Händen vom Mord am Stamm deiner Mutter und sagst doch nichts zu deiner Verteidigung, noch suchst du Vergebung?«
Da war Finrod tief betroffen, doch er blieb stumm, denn er konnte sich nicht verteidigen, ohne die andren Prinzen der Noldor anzuklagen; und das mochte er vor Thingol nicht tun. Doch in Angrods Herz stieg bitter die Erinnerung an Caranthirs Worte auf, und er rief: »Herr, ich weiß nicht, was für Lügen du vernommen hast, noch von wo sie kommen; doch haben wir keine blutigen Hände. Schuldlos sind wir gekommen, es sei denn schuldig des Wahns, dass wir auf die Worte des grimmigen Feanor gehört und berauscht waren wie vom Weine, doch ebenso kurz auch. Kein Übel haben wir auf unserm Wege getan, sondern selber großes Unrecht erlitten und es verziehen. Und dafür beschimpft man uns noch, wir trügen dir Geschichten zu und
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