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Das singende Kind

Das singende Kind

Titel: Das singende Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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auf die Kassiererin bei Penny.«
    »Hat Trudi dich angerufen?«
    »Gütiger Gott, du glaubst doch nicht etwa, daß ich Trudi geschwängert habe.«
    Dott hatte es zuerst Georg gesagt. Dem Erwachsenen. Ich kriege ein Kind. Als sei Georg der Vater und nicht Jos, der Schuljunge. Und Georg hatte sich geschmeichelt gefühlt. Alles auf seine Kappe genommen. »Du hast auch Dott geschwängert«, sagte er.
    »Und du glaubst, ich nutze hier die Gelegenheit, während du in Nizza die Reste zusammenkehrst?«
    »Du hast dich auch nicht daran gestört, daß ich Dott geliebt habe«, sagte Georg.
    »Du hast sie mir großzügig überlassen.« Jos glaubte, daß es so gewesen war. Er erinnerte sich nicht mehr genau. Sie waren oft zu dritt unterwegs gewesen. Ein weicher Übergang. Von Georg zu Jos.
    »Freu dich doch lieber«, sagte Jos, »deine Frau ist schwanger.«
    »Du hättest dich vorsehen sollen«, sagte Georg. Er hatte es schreien wollen. Doch er fing an, schläfrig zu sein. »Oder hast du es aus lauter Erbarmen mit uns getan?«
    Laßt ihn, hatte Jos zu den Gänsen im Hof gesagt, wenn sie Georg ausschließen wollten von den Festen, die unter den Teppichstangen stattfanden. Laßt ihn doch hierbleiben. Den trockenen alten Georg, der es mit einundzwanzig Jahren noch nicht geschafft hatte, einem Mädchen zu gefallen. Erst drei Jahre später kam Dott.
    »Nicht mal aus Erbarmen«, sagte Jos. »Ist Trudi schon beim Arzt gewesen?«
    Georg schüttelte den Kopf. »Aber sie ist seit acht Tagen überfällig.«
    »Und der Test?«
    »Du solltest das in die Hand nehmen. Du bist der Fachmann. Du hast doch mindestens schon drei Frauen Kinder gemacht.« Da war sie wieder, die Lust, Jos zu schlagen, die sich durch den Baldriantran kämpfte. Georg griff nach der Teekanne. Er zitterte nicht mehr, doch er kriegte die Kanne kaum hoch.
    »Zwei«, sagte Jos, »es waren zwei, und beide hätten sie eigentlich erfahrener sein sollen als ich.«
    Georg stöhnte auf. Was Jos auch sagte, welchen Namen er nannte, er wußte doch, daß es Trudi war.
    »Du kennst die zweite nicht«, sagte Jos.
    »Geh jetzt«, sagte Georg.
    »Meine Zeichnungen.«
    »Ich gucke später drauf.«
    »Du hängst nicht mehr allzusehr am Singenden Kind.«
    »Ich will heute keine weiteren Dramen. Das ist alles.«
    Jos stand auf. Er begann die Geduld zu verlieren. Jos, der Gefährte der Gescheiterten. Er hatte seinen Vater durchgebracht. Er hielt es nicht mehr lange aus, Georg zu ertragen. »Ich versuche morgen noch mal mein Glück mit dir«, sagte er.
    Georg nickte. Er stand nicht auf. Wartete nur gespannt darauf, daß Jos die Jacke anzog, die an der Stuhllehne hing. Sich duckte und unter der Schnur hindurchging. Dann erst fielen ihm die dreihundert Mark ein, die er dem Automaten entlockt hatte, und Georg sprang auf, um sie aus dem Umschlag zu holen. »Das Geld, ich kann dir einen Teil zurückgeben.«
    »Es ist nicht eilig, ihr seid doch knapp.«
    Doch Georg war schon zur Kammer gegangen und hatte den Umschlag aus dem grauen Jackett gezogen. Drei Hunderter. Das, was drinblieb, reichte gerade, Trudi das Sonntagsgeld zu geben und noch einmal einkaufen zu gehen. Georg hatte keine Ahnung, woher er die Miete für den Oktober holen sollte.
    »Geht das wirklich?« fragte Jos.
    »Es geht«, sagte Georg und schob Jos schon zur Tür hinaus. Ließ sie hinter ihm ins Schloß fallen. Drehte sich um und stand vor dem großen Spiegel. Er sah sich an. Sah sich diesmal aufmerksam an. Dann hob er die Hand und schlug sich heftig ins Gesicht.
    Trudi gab einen Tropfen ihres Urins in das Röhrchen und stellte es in den Ständer, den sie auf dem Boden des Schrankes aufgebaut hatte. Ihre Hand zitterte, und Trudi fürchtete, alles verdorben zu haben. Doch es gab keine Bewegung im Glas, in dem sich Urin und Chemikalien verbanden und einen Ring bilden sollten. Trudi drehte an der Eieruhr und tat einen Schal über die Uhr, um das Klingeln zu dämpfen. Sie blieb vor dem Schrank hocken und hielt sich an einem Bündel Erstlingshemden fest.
    Georg hätte das Klingeln nicht hören können, wäre er an seinem Schreibtisch geblieben, wo Trudi ihn vermutete. Doch er stand in der Küche und drückte eine Herztablette aus der Folie. Er sah auf den Platz, den die Eieruhr sonst hatte, und ging in den Flur.
    Er konnte die Geräusche nicht deuten, die aus dem Schlafzimmer kamen. Unterdrücktes Schluchzen. Ihm am ehesten erklärlich. Doch Georg glaubte auch eine Kinderrassel zu erkennen.
    Er stieß die Tür auf und sah Trudi vor dem

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