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Das Spektrum der Toten

Das Spektrum der Toten

Titel: Das Spektrum der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pfeiffer
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waren die einzige Antwort. Brettschneiders Körper zuckte krampfhaft.
    Krüger war sich jetzt sicher: Brettschneider schlief und sprach im Schlaf.
    »Stein anbinden«, sagte Brettschneider jetzt. Und gleich darauf: »Schmeiß ihn ins Wasser! Der kann uns nicht mehr anzeigen.«
    »He«, flüsterte Krüger und packte Brettschneider an der Schulter. »Wen soll ich ins Wasser schmeißen?«
    Brettschneider richtete sich auf. Er hatte wirklich geschlafen. »Ist was?« fragte er verstört. »Warum hast du mich geweckt?«
    »Nichts. Schlaf weiter«, erwiderte Krüger und ging wieder in sein Bett.
    Am nächsten Morgen, als die drei Zellengenossen trübsinnig zusammensaßen - es war der erste Weihnachtsfeiertag -, fragte Krüger den Brettschneider, was die Worte wohl zu bedeuten hätten, die er im Schlaf gesprochen habe: Strick, Stein, Wasser.
    »Strick, Stein, Wasser?« wiederholte Brettschneider verstört. Davon wisse er nichts.
    »Und du hast gesagt, ich soll jemanden ins Wasser schmeißen.«
    Brettschneider ließ sich Zeit mit der Antwort. Schließlich erinnerte er Krüger daran, dass er ihm schon vor Tagen gesagt hätte, dass er ein Mörder sei. Seine Tat ließe ihm keine Ruhe, der Ermordete suche ihn immer wieder im Traum heim. Manchmal habe sich der Tote aber auch schon in der Zelle unterm Bett versteckt.
    Brettschneider erzählte dann, was vor fünf Jahren am Rheinufer an der Schnellenburg geschehen war. Er nannte Namen, Daten, Orte des Geschehens. Seine beiden Zuhörer konnten nicht länger bezweifeln, dass Brettschneider seinen Kumpan umgebracht hatte.
    Otto Kuhnert blickte Brettschneider kopfschüttelnd an: »Warum erzählst du das alles? Du bist selber schuld, wenn sie dir den Kopf abhacken.«
    Kurz darauf wurde der Untersuchungshäftling Paul Krüger zum Verhör geholt. Gleich zu Beginn der Vernehmung sagte er dem Untersuchungsrichter, er könne einen Mord aus dem Jahr 1919 aufklären. Krügers Bericht über Brettschneiders Traum und das folgende Geständnis gegenüber seinen beiden Zellengenossen wurde protokolliert.
    Später vernahm der Untersuchungsrichter auch Otto Kuhnert. Er sollte schildern, was Brettschneider gesagt hatte. Kuhnert erklärte, er wisse nichts darüber. Aber inzwischen hatte er bereits anderen Gefangenen erzählt, dass Brettschneider ein Mörder sei.
    So besaß der Untersuchungsrichter nun zwei Zeugen, die Brettschneiders Mordgeständnis gehört hatten. Der Mord war noch nicht verjährt. Der Untersuchungsrichter war entschlossen, den Fall aufzuklären und Brettschneider seiner Tat zu überführen.
    Brettschneider wurde am 12. März 1925 vernommen. Er gab zu, damals eine amerikanische Armeepistole besessen zu haben, leugnete aber den Mord.
    Er erklärte: »Ich bestreite, den Massen ermordet zu haben. Ich kann mich auch nicht besinnen, Einzelheiten über den Mord erzählt zu haben. Möglich ist, dass ich im Traum davon erzählt habe. Ich hatte von dieser Sache gehört und vielleicht auch in der Zeitung gelesen, dass eine unbekannte Leiche an der Schnellenburg gelandet sei. Ich bin mit Massen noch am 5. Juli 1924, am Tage meiner letzten Verhaftung, in einer Wirtschaft gewesen.«
    Die Kripo wurde beauftragt nachzuforschen, was die Untersuchung über die im August 1919 gefundene, damals unbekannte Wasserleiche erbracht hatte, die möglicherweise die Leiche Massens war.
    Die Unterlagen waren dürftig. Es gab lediglich einen Obduktionsbericht über einen jungen Mann, der aus dem Rhein bei der Schnellenburg gezogen worden war.
    Seine Arme waren auf der Brust festgebunden, von hinten nach vorn, der Körper mit einem Stein beschwert.
    Die gerichtliche Obduktion hatte folgendes ergeben: »Einen Durchschuss durch die Brust von hinten nach vorn, der hinten die 8. Rippe nahe der Wirbelsäule, vorn den 5. Rippenknorpel durchschlagen hatte. Ein zweiter Durchschuss fand sich am Kopf, Einschuss am Hinterkopf, der Ausschuss ging durch Türkensattel und Mund.«
    Wer der Tote war, konnte damals nicht ermittelt werden.
    Nun musste festgestellt werden, ob der Tote aus dem Rhein tatsächlich mit Massen identisch war. Das Gericht ordnete eine Exhumierung an. Das Skelett des Toten war noch gut und vollständig erhalten.
    Die nähere Untersuchung des Skeletts ergab unzweifelhaft die Identität des Ermordeten. Am Schädel fand sich eine Kriegsverletzung am Jochbein, die durch eine Krankengeschichte der Düsseldorfer Kieferklinik identifiziert werden konnte. An den rachitisch verkrümmten Schienbeinen war ein Callus von

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