Das Spektrum der Toten
oder Überschriften dar. Die wenigen Worte ›Schmeiß ihn in den Rhein - Strick um den Leib - Steinanbinden‹ bezeichnen die einzelnen Vorgänge bei der Beseitigung des Ermordeten, und der Zusatz ›Der kann uns nicht mehr anzeigen‹ legt noch den Beweggrund zur Tat offen. Gerade dieser Satz ist von entscheidender Bedeutung für den Schuldbeweis geworden. Denn wenn wirklich jemand soweit gehen wollte zu sagen: Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass der Träumer den Trauminhalt nur vom Hörensagen oder Zeitungslesen in sich aufgenommen hatte, so ist doch der Beweggrund zur Ermordung des Massen nur dem oder den Tätern bekannt gewesen und erst durch das Traumreden offenbar geworden.«
Der Gutachter Dr. Berg trug durch seine überzeugenden Ausführungen entscheidend mit bei zum Schuldspruch der Geschworenen. Brettschneider wurde zum Tode verurteilt. Die Warnung seines Zellengenossen Otto Kuhnert hatte sich erfüllt: »Warum erzählst du das alles? Du bist selber schuld, wenn sie dir den Kopf abhacken.«
Dass sich Verbrecher, vornehmlich Mörder, selbst verraten, ist so selten nicht. Ungewöhnlich allerdings war der zweifache Selbstverrat Brettschneiders: einmal im Traum und dann nochmals im Wachzustand.
Zunehmend besaß Brettschneider, wie aus all seinen Äußerungen, dem Waschzwang, dem Halluzinieren vom Erscheinen des Ermordeten in seiner Zelle hervorging, ein starkes Schuldgefühl, das ihn unterbewusst dazu drängte, sich der Justiz auszuliefern. Dass er danach dennoch leugnete, ist wohl aus Angst vor der Todesstrafe verständlich.
Von einem jüngeren Fall berichtete der Rechtsmediziner Dr. Schneider.
Bei einer weiblichen Wasserleiche fanden die Obduzenten keine Hinweise auf eine Gewalttat. Der Ehemann der Toten geriet in Verdacht, aber aus Mangel an Beweisen wurde die Untersuchung eingestellt.
Ein Vierteljahr später stellte sich der Mann der Polizei. Er hatte seine Frau in Mordabsicht von der Brücke gestoßen.
Dass er sich schließlich selbst verriet, begründete er damit, »er habe endlich reinen Tisch machen wollen«.
In diesem Kapitel wird über die tödliche Macht der Seele berichtet. Sie kann den Körper töten: durch Schreck, Angst, Furcht, durch Stress, durch traurige und freudige Erlebnisse, durch Suggestion, ja selbst durch Schuldgefühle, die vom Gewissen hervorgerufen werden.
II. Kapitel Okkult-Morde
Wenn der rote Hahn kräht
Als der Bauer Herrmann Mollenhauer an diesem Sommermorgen aus dem Haus tritt und emporblickt, kann er sich des strahlend blauen Himmels nicht erfreuen. Wie eine dumpfe Wolke lastet wieder einmal das Unglück über dem Bauernhof und erdrückt Stimmung und Gedanken. Dabei hatte er im Frühjahr noch allen Anlass zur Zufriedenheit gehabt. Zwei seiner Zuchtsäue hatten ihn mit 19 Ferkeln erfreut - der eine Wurf brachte ihm neun, der andere sogar zehn Jungtiere. Sie wuchsen gut heran. Mollenhauer hatte schon errechnet, was ihm der Verkauf der Läufer einbringen würde. Und dann, vor einer Woche, das Unheil. Die Tiere verweigerten die Nahrung, magerten ab, und als Mollenhauer den Tierarzt kommen ließ, war es bereits zu spät. Spulwurmerkrankung hatte der Tierarzt festgestellt, und die war in diesem Stadium tödlich. Neunzehn Läufer verendet - was für ein Verlust! Wir sind vom Unglück verfolgt, womit nur haben wir das verdient, fragte sich Mollenhauer verzweifelt. Die letzten Jahre ein Unglück nach dem andern: Schweinelähmung, der fast der ganze Bestand zum Opfer gefallen war, Hühnertyphus, der mehr als 80 Tiere dahinraffte. Das rätselhafte Sterben von fünf Rindern. Die Erkrankung der beiden letzten Zugpferde, ausgerechnet während der Ernte. Wir sind vom Unglück verfolgt. Aber wie! Und niemand zeigt mir wirklich so was wie Mitgefühl. Obendrein noch Hohn. Sucht lieber die Schuld bei euch selber, hatte der Bürgermeister gesagt. Euer Stall ist ein Dreckstall! Und wer so mit dem Futter geizt wie ihr da müssen die Tiere ja jede Widerstandskraft gegen Krankheiten verlieren!
Ich hätte ihm eine aufs Maul geben können für diese Frechheit, denkt Mollenhauer. Zum Hohn auch noch Spott.
Wir sind vom Unglück verfolgt. Verfolgt! Als ob das Unglück eine Person wäre, die uns ständig auf den Fersen ist und uns immer wieder niederschlägt, das ist… seine Gedanken verwirren sich in dem krampfhaften Bemühen zu erkennen, was das ist: Unglück. Das Unglück ist keine Person, aber vielleicht ist eine Person das Unglück? Vielleicht verfolgt uns eine Person, die Tiere,
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