Das Spiel
auf das Hinterteil ihrer Unterhose gespritzt – eindeutig kein anständiges Verhalten und eindeutig keine Situation, die sie je in Drei Mädchen und drei Jungen gesehen hatte, aber …
Aber seien wir ehrlich, dachte Jessie. Wenn man bedenkt, was hätte passieren können, bin ich eigentlich mit einem blauen Auge davongekommen … was tagtäglich passiert. Es passiert auch nicht nur in Häusern wie Peyton Place oder entlang der Tobacco Road. Mein Vater war nicht der erste gebildete weiße Mann der oberen Mittelschicht, der je wegen seiner Tochter einen Ständer bekommen hat, und ich war nicht die erste Tochter, die einen feuchten Fleck auf der Unterhose entdeckt hat. Das soll nicht heißen, dass es richtig oder gar entschuldbar gewesen ist; es soll nur heißen, es ist vorbei und hätte viel schlimmer ausgehen können.
Ja. Und augenblicklich schien es weitaus besser zu sein, alles zu vergessen, statt es noch einmal durchzumachen, was Punkin auch immer zu dem Thema zu sagen wusste. Am besten ließ man es im allgemeinen Dunkel verschwinden, das mit jeder Sonnenfinsternis einherging. Sie würde in diesem stinkenden, fliegenverseuchten Schlafzimmer noch alle Hände voll mit Sterben zu tun haben.
Sie machte die Augen zu, und sofort stieg ihr der Geruch des Parfüms ihres Vaters in die Nase. Und der Geruch seines leichten, nervösen Schweißes. Sie spürte das harte Ding an der Kehrseite. Ihr kurzes Stöhnen, als sie auf seinem Schoß hin und her rutschte und versuchte, eine bequeme Haltung zu finden. Spürte seine Hand, die behutsam auf ihre Brust drückte. Fragte sich, ob alles mit ihm in Ordnung war. Er atmete so schnell. Marvin Gaye im Radio: »I love too hard, my friends sometimes say, but I believe … I believe … that a woman should be loved that way …«
»Liebst du mich, Punkin?«
»Ja, klar …«
»Dann kümmere dich nicht darum, was ich mache. Ich würde dir nie wehtun.« Jetzt glitt seine andere Hand an ihrem bloßen Schenkel entlang und schob das Sommerkleid vor sich her, so dass es sich im Schoß bauschte. Ich will …
»Ich will nur lieb zu dir sein«, murmelte Jessie und bewegte sich ein wenig am Kopfteil. Ihr Gesicht war teigig und ausgezehrt. »Das hat er gesagt. Großer Gott, er hat es tatsächlich gesagt.«
»Everybody knows … especially you girls … that a love can be sad, well my love is twice as bad …«
»Du hast noch zwanzig Sekunden. Mindestens. Also mach dir keine Sorgen. Und dreh dich nicht um.«
Dann das Schnalzen von Gummi – nicht ihres, seines -, als er den alten Adam herausgeholt hatte.
Ihrem bevorstehenden Austrocknen zum Trotz rann eine Träne aus Jessies linkem Auge und rollte langsam die Wange hinab. »Ich mache es«, sagte sie mit heiserer, erstickter Stimme. »Ich erinnere mich. Ich hoffe, jetzt bist du zufrieden.«
Ja, sagte Punkin, und obwohl Jessie sie nicht mehr sehen konnte, spürte sie den seltsamen, lieben Blick auf sich. Aber du bist zu weit gegangen. Ein Stückchen zurück. Nur ein Stückchen.
Ein Gefühl ungeheurer Erleichterung erfüllte sie, als ihr klarwurde, dass das, worauf Punkin sie aufmerksam machen wollte, sich nicht während oder nach den sexuellen Zudringlichkeiten ihres Vaters abgespielt hatte, sondern davor … wenn auch nicht lange davor.
Und warum musste ich dann die ganze grässliche alte Geschichte nochmal durchmachen?
Sie überlegte sich, dass die Antwort darauf eigentlich auf der Hand lag. Es war einerlei, ob man eine Sardine oder zwanzig wollte, man kam nicht umhin, die Dose aufzumachen und alle anzusehen und den widerlichen Fischgeruch einzuatmen. Und außerdem würde ein bisschen Frühgeschichte sie nicht umbringen. Die Handschellen, mit denen sie ans Bett gefesselt war, vielleicht schon, aber nicht diese alten Erinnerungen, so schmerzlich sie sein mochten. Es wurde Zeit, mit dem Keifen und Stöhnen aufzuhören und zur Sache zu kommen. Zeit herauszufinden, was Punkin ihr sagen wollte.
Geh zurück zu der Stelle, bevor er dich angefasst hat – falsch angefasst hat. Geh zu dem Grund zurück, warum ihr beide überhaupt allein wart. Geh zur Sonnenfinsternis zurück.
Jessie machte die Augen zu und ging zurück.
28
»Punkin? Alles in Ordnung?«
»Ja, aber … es ist doch ein bisschen beängstigend, was?«
Jetzt muss sie nicht in die Reflektorbox sehen, um zu wissen, dass etwas passiert; der Tag wird dunkler, als würde sich eine Wolke vor die Sonne schieben. Aber es ist keine Wolke; der Dunst hat sich verzogen, und die
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