Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Polizisten sind irgendwie auch nur Menschen. Die Jungs konnten sich ziemlich gut vorstellen, was wirklich passiert war, sobald sie die Handschellen vom Bett baumeln gesehen haben. Glaub mir, die beiden haben nicht zum ersten Mal Handschellen gesehen, nachdem jemandem die Pumpe versagt hat.
    Kein einziger Polizist – weder von der State Police noch von der lokalen – wollte Schuld sein, dass du und dein Mann zum Gegenstand dreckiger Witze werdet, nur weil ein grotesker Unfall passiert ist.«
    Zuerst habe ich nicht einmal Brandon gegenüber etwas von dem Mann erzählt, den ich gesehen zu haben glaubte, oder von dem Ohrring oder Fußabdruck oder sonst etwas. Weißt Du, ich habe abgewartet – wahrscheinlich nach einem Strohhalm gesucht.
     
    Jessie las den letzten Satz durch, schüttelte den Kopf und tippte weiter.
     
    Nein, das ist dummes Zeug. Ich habe darauf gewartet, dass ein Polizist kommt und mir eine kleine Plastiktüte reicht und mich bittet, die Ringe darin – Fingerringe, keine Ohrringe – zu identifizieren. »Wir sind uns sicher, dass sie Ihnen gehören müssen«, würde er sagen, »weil Ihre Initialen und die Ihres Mannes eingraviert sind, und außerdem haben wir sie im Arbeitszimmer Ihres Mannes auf dem Boden gefunden.« Darauf hatte ich gewartet, denn wenn sie mir die Ringe gezeigt hätten, hätte ich mit Sicherheit gewusst, dass der mitternächtliche Besucher von Little Neil nur eine Ausgeburt von Little Neils Fantasie gewesen ist. Ich wartete und wartete, aber niemand kam. Kurz vor der ersten Operation an meiner Hand habe ich Brandon dann gestanden, ich hätte eine Ahnung, als wäre ich nicht allein im Haus gewesen, jedenfalls nicht die ganze Zeit. Ich sagte ihm, ich könnte es mir nur eingebildet haben, das wäre sicherlich möglich, aber es schien durchaus echt zu sein. Ich sagte ihm nichts von meinen eigenen Ringen, erzählte aber von dem Fußabdruck und dem Perlmuttohrring. Was den Ohrring betrifft, könnte man zutreffenderweise sagen, dass ich gestammelt habe, und ich glaube, heute weiß ich, warum: Er stand für alles, was ich nicht zu erzählen wagte, nicht einmal Brandon. Verstehst Du das? Und die ganze Zeit, während ich redete, gebrauchte ich ständig Wendungen wie »Dann glaube ich, gesehen zu haben« und »Ich bin fast sicher, dass«. Ich musste es ihm sagen, musste mit irgendjemandem darüber reden, weil die Angst mich innerlich wie Säure zerfraß, aber ich versuchte ihm in jeder Hinsicht zu zeigen, dass ich subjektive Empfindungen nicht mit objektiver Realität verwechselte. Am meisten aber bemühte ich mich, vor ihm zu verbergen, wie ängstlich ich immer noch war. Er sollte nicht denken, ich wäre verrückt. Es war mir egal, ob er mich für ein wenig hysterisch hielt; ich war bereit, diesen Preis zu bezahlen, damit ich nicht noch so ein schlimmes Geheimnis mit mir herumschleppen musste wie das, was mein Vater am Tag der Sonnenfinsternis mit mir gemacht hat, aber ich wollte auf gar keinen Fall, dass er mich für verrückt hielt. Ich wollte nicht einmal, dass er an die Möglichkeit dachte.
    Brandon nahm meine Hand und tätschelte sie und sagte mir, er könne verstehen, dass ich mir so etwas einbildete; er sagte, unter den Umständen wäre es wahrscheinlich ein zahmes Hirngespinst. Dann fügte er hinzu, ich dürfe nur nicht vergessen, dass es ebenso wenig real war wie die Dusche, die Gerald und ich nach unserem normalen, ganz und gar nicht schlagzeilenträchtigen Sex in der Missionarsstellung genommen hatten. Die Polizei hatte das Haus untersucht, und wenn noch jemand da gewesen wäre, hätten sie ganz bestimmt Spuren von ihm gefunden. Die Tatsache, dass das Haus kurz zuvor einem großen Sommerputz unterzogen worden war, machte das noch wahrscheinlicher.
    »Vielleicht haben sie Spuren von ihm gefunden«, sagte ich.
    »Vielleicht hat ein Polizist den Ohrring eingesteckt.«
    »Es gibt eine ganze Menge Bullen mit langen Fingern auf der Welt, zugegeben«, sagte er, »aber ich kann mir nicht vorstellen, dass auch nur der dümmste seine Karriere für einen einzelnen Ohrring aufs Spiel setzen würde. Ich könnte mir eher vorstellen, dass der Mann, der deiner Meinung nach bei euch im Haus war, später zurückgekommen ist und ihn selbst geholt hat.«
    »Ja!«, sagte ich. »Das wäre möglich, oder nicht?«
    Er wollte den Kopf schütteln, dann zuckte er stattdessen mit den Achseln. »Alles wäre möglich, einschließlich Habgier oder ein Irrtum seitens der ermittelnden Beamten, aber …« Er

Weitere Kostenlose Bücher