Das Spiel
auf der der Name Prinz stand. Prinz, kannst Du Dir das vorstellen? Als Constable Harris gekommen ist und mir gesagt hat, dass sie ihn erschossen haben, war ich froh. Ich habe ihm keine Vorwürfe für das gemacht, was er getan hat – er war in keiner besseren Verfassung als ich, Ruth -, aber ich war damals froh und bin es heute noch.
Aber das alles gehört nicht zum Thema – ich wollte Dir von der Unterhaltung mit Brandon erzählen, nachdem ich ihm eröffnet hatte, es wäre ein Fremder im Haus gewesen. Er stimmte mit größtem Nachdruck zu, dass es besser wäre, schlafende Hunde ruhen zu lassen. Ich dachte mir, dass ich damit leben konnte – es war eine große Erleichterung, dass ich es einem Menschen erzählt hatte -, aber ich war noch nicht bereit, das Thema schon fallenzulassen.
»Überzeugt hat mich das Telefon«, sagte ich ihm. »Als ich aus den Handschellen raus war und es ausprobiert hatte, war es so tot wie Abe Lincoln. Kaum hatte ich das festgestellt, war ich davon überzeugt, dass ein Mann da gewesen war, und der hatte irgendwann die Telefonleitung von der Straße aus durchgeschnitten. Darum bin ich zur Tür raus und in den Mercedes gestiegen. Du weißt nicht, was Angst ist, Brandon, wenn du nicht irgendwann einmal plötzlich erkannt hast, dass du mitten im Wald allein mit einem ungebetenen Hausgast bist.«
Er lächelte, aber dieses Mal war es leider kein so einnehmendes Lächeln. Es war das Lächeln, das Männer stets zur Schau stellen, wenn sie denken, wie albern Frauen doch sind und es eigentlich gesetzlich verboten werden müsste, sie ohne Aufpasser hinauszulassen. »Du bist zur Schlussfolgerung gekommen, dass die Leitung durchgeschnitten worden sein musste, nachdem du ein einziges Telefon ausprobiert hast – nämlich im Schlafzimmer -, welches tot war. Richtig?«
So war es nicht genau gewesen, und das dachte ich auch nicht genau, aber ich nickte – teils weil es einfacher schien, teils auch weil es herzlich wenig nutzt, mit einem Mann zu reden, wenn er diesen Gesichtsausdruck hat. Diesen Ausdruck, der sagt: »Frauen! Man kann nicht mit ihnen leben, aber erschießen kann man sie auch nicht!« Wenn Du Dich nicht vollkommen verändert hast, Ruth, weißt Du bestimmt, wovon ich spreche, und Du wirst sicher auch verstehen, dass ich in dem Augenblick nur von ganzem Herzen wollte, dass die Unterhaltung zu Ende sein würde.
»Es war herausgezogen, das ist alles«, sagte Brandon. Da hörte er sich schon wie Mister Rogers an, der erklärt, dass es manchmal wirklich den Anschein hat, als wäre ein Monster unter dem Bett, obwohl in Wahrheit natürlich keins da ist. »Gerald hat den Stecker aus der Wand gezogen. Wahrscheinlich wollte er nicht, dass sein freier Nachmittag – ganz zu schweigen von seiner Fessel-Fantasie – durch Anrufe aus dem Büro gestört wurde. Den Stecker des Apparats in der Diele hatte er auch rausgezogen, aber das im Wohnzimmer steckte noch und funktionierte bestens. Das weiß ich alles aus dem Polizeibericht.« Da dämmerte es mir, Ruth, mir ging plötzlich auf, dass alle – alle Männer, die ermittelten, was sich draußen am See abgespielt hatte -, sich gewisse Vorstellungen davon gemacht hatten, wie ich die Situation gehandhabt und warum ich so und nicht anders gehandelt hatte. Die meisten mutmaßten zu meinen Gunsten, was die Sache vereinfachte, aber es war dennoch etwas Nervtötendes und ein wenig Beängstigendes an der Erkenntnis, dass sie ihre meisten Schlussfolgerungen nicht nach dem zogen, was ich gesagt habe oder nach den vorhandenen Beweisen, sondern aufgrund der Tatsache, dass ich eine Frau bin und Frauen stets auf eine gewisse vorhersehbare Weise reagieren.
Wenn man es so betrachtet, besteht kein Unterschied zwischen Brandon Milheron in seinem maßgeschneiderten dreiteiligen Anzug und Constable Harrington in den sitzverstärkten Bluejeans und seinen roten Feuerwehrhosenträgern. Männer denken alle dasselbe über uns, was sie immer über uns gedacht haben, Ruth – ich bin mir da ganz sicher. Viele haben gelernt, im richtigen Moment das Richtige zu sagen, aber wie meine Mutter zu sagen pflegte: »Selbst ein Kannibale kann lernen, das apostolische Glaubensbekenntnis aufzusagen.«
Und weißt du was? Brandon Milheron bewundert mich, er bewundert, wie ich mich nach Geralds Tod aus der Affäre gezogen habe. Ja, so ist es. Ich habe es ihm ein paarmal im Gesicht angesehen, und wenn er heute Abend vorbeikommt, was er für gewöhnlich macht, werde ich es ganz bestimmt wieder
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