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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gebracht hatte. »Sollen wir weitermachen, Teuahste?«
    Sie bekam keine Antwort, aber Jessie brauchte auch keine. Sie beugte sich auf dem Stuhl nach vorne und setzte den Cursor wieder in Bewegung. Sie hörte lange Zeit nicht mehr auf, nicht einmal, um sich eine Zigarette anzuzünden.

37
     
     
     
    Es wird Zeit, über Raymond Andrew Joubert zu sprechen. Das wird nicht leicht sein, aber ich werde mein Bestes tun. Also schenk Dir noch eine Tasse Kaffee ein, Liebste, und wenn Du eine Flasche Brandy zur Hand hast, solltest Du Dir vielleicht einen Schluck einschenken. Jetzt kommt Teil drei.
    Ich habe alle Zeitungsausschnitte neben mir auf dem Schreibtisch, und wenn ich den Mut aufbringe, diesen Brief tatsächlich abzuschicken (ich glaube allmählich, dass ich es schaffe), werde ich Fotokopien davon beilegen. Aber die Artikel und Meldungen schreiben nicht alles, was ich weiß, geschweige denn, was es zu wissen gibt - ich bezweifle, ob jemand alles weiß, was Joubert auf dem Gewissen hat (einschließlich Joubert selbst, könnte ich mir denken), und das ist wahrscheinlich ein Segen. Was die Zeitungen nur andeuten und was sie überhaupt nicht bringen konnten, ist der Stoff, aus dem die Alpträume sind, und ich möchte gar nicht alles wissen. Das meiste, was nicht in den Zeitungen steht, habe ich letzte Woche durch einen seltsam stillen, seltsam betroffenen Brandon Milheron erfahren. Ich bat ihn vorbeizukommen, als die Verbindung zwischen Jouberts Geschichte und meiner eigenen so offensichtlich geworden war, dass man sie nicht mehr ignorieren konnte.
    »Du denkst, das war der Mann, oder nicht?«, fragte er. »Der bei euch im Haus gewesen ist?«
    »Brandon«, sagte ich, »ich weiß, dass es der Mann ist.«
    Er seufzte, betrachtete eine Zeit lang seine Hände und sah wieder zu mir auf – wir waren in eben diesem Zimmer, es war neun Uhr morgens, und dieses Mal verbargen keine Schatten sein Gesicht. »Ich muss mich bei dir entschuldigen«, sagte er. »Ich habe dir damals nicht geglaubt …«
    »Ich weiß«, sagte ich, so freundlich ich konnte.
    »… aber jetzt glaube ich es. Großer Gott. Wie viel willst du wissen, Jess?«
    Ich holte tief Luft und sagte: »Alles, was du herausfinden kannst.«
    Er wollte wissen, warum. »Ich meine, wenn du sagst, dass es mich nichts angeht und ich mich um meinen Kram kümmern soll, muss ich das akzeptieren, aber du verlangst von mir, dass ich einen Fall neu aufrolle, den die Kanzlei als abgeschlossen betrachtet. Wenn jemand, der weiß, dass ich letzten Herbst auf dich aufgepasst habe, nun Wind davon bekommt, dass ich diesen Winter hinter Joubert herschnüffle, wäre es nicht undenkbar, dass …«
    »Dass du Schwierigkeiten bekommst«, sagte ich. Daran hatte ich nicht gedacht.
    »Ja«, sagte er, »aber deswegen mache ich mir keine großen Sorgen, und ich kann schon auf mich selbst aufpassen … jedenfalls glaube ich es. Ich mache mir viel mehr Sorgen um dich, Jess. Du könntest wieder in die Schlagzeilen geraten, nachdem wir uns so sehr bemüht haben, dich so schnell und schmerzlos wie möglich da rauszubekommen. Aber nicht einmal das ist das größte Problem – nicht im Entferntesten. Es handelt sich hier um den unrühmlichsten Kriminalfall im nördlichen Neuengland seit dem Zweiten Weltkrieg. Ich meine, manches ist so grässlich, dass es schon radioaktiv ist, und du solltest dich nicht grundlos in die Fallout-Zone begeben.« Er lachte etwas nervös. »Verdammt, ich sollte mich nicht ohne verdammt guten Grund dorthinbegeben.«
    Ich stand auf, ging zu ihm und nahm eine seiner Hände mit der Linken. »Ich könnte dir in einer Million Jahren nicht erklären, warum ich es wissen muss«, sagte ich, »aber ich glaube, ich kann dir sagen, was ich wissen muss – wird das für den Anfang genügen?«
    Er faltete die Hand behutsam über meiner und nickte. »Es sind drei Dinge«, sagte ich. »Erstens muss ich wissen, dass es ihn wirklich gibt. Zweitens muss ich wissen, dass seine Untaten Wirklichkeit sind. Drittens muss ich wissen, dass ich nie wieder aufwache und er in meinem Schlafzimmer steht.« Das brachte alles zurück, Ruth, und ich fing an zu weinen. Diese Tränen hatten nichts Gekünsteltes oder Berechnendes an sich; sie kamen einfach. Ich hätte es um nichts auf der Welt verhindern können.
    »Bitte hilf mir, Brandon«, sagte ich. »Jedes Mal wenn ich das Licht ausschalte, steht er mir im Dunkeln gegenüber, und ich habe die größte Angst, wenn ich nicht einen Scheinwerfer auf ihn richten kann,

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