Das Spiel
ihr walten und ihr die Eingeweide zerkratzen und zerfetzen.
Aus den Augenwinkeln sah sie, dass die Sporthose ihres Vaters schräg saß. Etwas ragte hervor, etwas Rosafarbenes, und es war auf keinen Fall der Griff eines Schraubenziehers. Bevor sie wegsehen konnte, bemerkte Tom Mahout die Richtung ihres Blicks, zog hastig die Hose zurecht und ließ das rosa Ding verschwinden. Er verzog das Gesicht zu einem momentanen moue des Missfallens, und Jessie zuckte innerlich zusammen. Er hatte sie beim Gucken ertappt, hatte ihren ziellosen Blick als unziemliche Neugier interpretiert.
»Was gerade passiert ist«, begann er, dann räusperte er sich. »Wir müssen uns darüber unterhalten, was gerade passiert ist, Punkin, aber nicht gleich sofort. Geh rein und zieh dich um, und dusch gleich, wenn du schon dabei bist. Beeil dich, damit du das Ende der Sonnenfinsternis nicht versäumst.«
Sie hatte das Interesse an der Sonnenfinsternis verloren, aber das hätte sie ihm nicht in einer Million Jahren gesagt. Stattdessen nickte sie, drehte sich aber noch einmal um. »Daddy, ist alles in Ordnung mit mir?«
Er sah überrascht, unsicher, argwöhnisch aus – eine Mischung, die das Gefühl verstärkte, dass wütende Hände sich in ihrem Inneren zu schaffen machten und ihre Eingeweide kneteten … und plötzlich wurde ihr klar, dass ihm so schlimm zumute war wie ihr. Vielleicht schlimmer. Und in einem Augenblick der Klarheit, in dem keine andere Stimme als ihre eigene ertönte, dachte sie: Das solltest du auch! Herrje, du hast damit angefangen!
»Ja«, sagte er … aber sein Ton überzeugte sie nicht völlig. »In bester Ordnung, Jess. Und jetzt geh rein und mach dich zurecht.«
Sie versuchte zu lächeln – ganz fest -, und es gelang ihr sogar ein bisschen. Ihr Vater sah einen Augenblick verblüfft drein, dann erwiderte er das Lächeln. Das erleichterte sie irgendwie, und die Hände, die sich in ihrem Inneren zu schaffen machten, lockerten den Griff vorübergehend. Als sie in dem großen Zimmer oben war, das sie sich mit Maddy teilte, hatten sich ihre Gefühle allerdings wieder eingestellt. Am schlimmsten war bei weitem die Angst, er könnte glauben, dass er ihrer Mutter erzählen musste, was vorgefallen war. Und was würde ihre Mutter denken?
So ist das mit unserer Jessie, nicht? Sie schmiert gut.
Das Schlafzimmer war zeltlagermäßig mit einer Wäscheleine in der Mitte abgeteilt. Sie und Maddy hatten alte Handtücher an diese Leine gehängt, die ihnen ihre Mutter gegeben hatte, und dann mit Wills Buntstiften bunte Muster daraufgemalt. Die Handtücher zu bemalen und das Zimmer zu teilen war ihr damals wie ein Riesenspaß vorgekommen, aber jetzt schien es ihr albern und kindisch zu sein, und es war ein bisschen beängstigend, wie ihr übergroßer Schatten auf dem mittleren Handtuch tanzte; er sah wie der Schatten eines Monsters aus. Selbst der aromatische Geruch von Pinienharz, den sie normalerweise mochte, erschien schwer und erstickend wie ein Lufterfrischer, den man allzu freigebig versprüht hatte, um einen üblen Gestank zu überdecken.
So ist das mit unserer Jessie, nie mit irgendwelchen Vereinbarungen zufrieden, wenn sie nicht das letzte Wort dazu hat. Nie zufrieden mit den Plänen von anderen. Nie imstande, sich mit etwas zufriedenzugeben.
Sie lief ins Bad, weil sie dieser Stimme davonlaufen wollte, vermutete aber zurecht, dass es ihr nicht gelingen würde. Sie schaltete das Licht ein und zog das Sommerkleid mit einem einzigen Ruck über den Kopf. Sie warf es in den Wäschekorb und war froh, dass sie es los war. Sie betrachtete sich mit großen Augen im Spiegel und sah ein kleines Mädchen mit der Frisur eines großen … bei der sich langsam Locken und Strähnen aus den Haarklammern lösten. Es war auch der Körper eines kleinen Mädchens – flachbrüstig und schmalhüftig -, aber das würde er nicht mehr lange sein. Die Veränderung hatte bereits angefangen, und sie hatte ihren Vater zu etwas verleitet, zu dem er kein Recht hatte.
Ich will nie Möpse und breite Hüften, dachte sie verdrossen. Wer wollte das schon, wenn sie solche Sachen bewirkten?
Bei dem Gedanken wurde ihr der feuchte Fleck auf dem Hosenboden ihres Schlüpfers wieder bewusst. Sie schlüpfte heraus – Baumwollunterhosen von Sears, einst grün, aber inzwischen so verblasst, dass sie fast grau aussahen -, schob die Hand in den Bund und betrachtete sie neugierig. Es war etwas auf der Rückseite, und es war kein Schweiß. Und es sah auch nicht wie
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