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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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schon fast auf diesen Tag. Zu viel Muße konnte auch langweilig werden. »Aber gewiss, o Goldener. Der Heerführer und ich sind alte Freunde.«
    Johars Grinsen war so bar jeder Heiterkeit wie das eines Löwen, der in den Wind wittert. »Ja — alte Freunde.«
    »Johar ist guter Laune — nicht wahr, Heerführer?«, fragte der Autarch und streckte die Arme aus, damit ein Sklave sie einölte. »Denn bald wird er Gelegenheit haben, seinen Männern ein wenig Ertüchtigung zukommen zu lassen. Das Leben war schal in den letzten Monden, seit Mihan die Waffen streckte.«
    »Bei allem Respekt, o Goldener«, wandte Johar ein, »würde ich die Belagerung Hierosols doch nicht unbedingt als bloße Ertüchtigung bezeichnen. Noch nie in seiner langen Geschichte wurde es mit Gewalt eingenommen.«
    »Dann wird Euer Name neben dem meinen in ruhmreicher Erinnerung bleiben, Heerführer.«
    »Gewiss, wenn Ihr das sagt, was mich mit großer Freude erfüllt. Der Herr des Großen Zeltes irrt niemals.«
    »Ja, das ist wahr.« Der Autarch setzte sich abrupt auf, als sei ihm ein erfreulicher Gedanke gekommen. Einer der Sklaven wäre im hektischen Bemühen, eine unziemliche Berührung mit seinem Herrn zu vermeiden, beinah auf dem nassen Boden ausgeglitten. »Es ist natürlich der Gott in mir — das Blut des Nushash, das in meinen Adern fließt. Ich kann nicht irren und nicht scheitern.« So abrupt, wie er sich aufgerichtet hatte, ließ er sich auch wieder zurücksinken, sodass das Wasser in der Wanne schwappte. »Sehr beruhigend.«
    Das mag ja sein, mein höchster Herr,
konnte Pinnimon Vash nicht umhin zu denken,
aber das heilige Blut des Gottes, das in Euren Brüdern ebenso floss wie in Euch, hat sie nicht davor bewahrt, reichlich viel davon zu verlieren, als Ihr den Thron bestiegt.
Obgleich er es nicht aussprach, packte ihn Angst, weil ihn der Autarch so boshaft-belustigt anblickte, als wüsste er ganz genau, welch ketzerische Gedanken sein Oberster Minister hegte.
    »Nun, es ist dennoch viel zu tun — selbst für jemanden wie mich, der nicht irren kann, nicht wahr, Vash? Man bringe den Scotarchen in seine Gemächer. Ja, lebt wohl, Prusus. Nein, spart Euren Atem. Wir müssen uns nun alle auf die Aufbruchszeremonien vorbereiten, auf die Segnung der Truppen und so weiter.« Mit einem maliziösen Lächeln wandte er sich wieder an Vash: »Ich brauche meinen treuesten Diener an meiner Seite. Wollt Ihr mir also Gesellschaft leisten, während mich die Sklaven ankleiden?«
    Der alte Minister verneigte sich. »Gewiss, o Goldener.«
    »Gut. Und Ihr, Johar, habt gewiss noch viel zu erledigen. Wir stechen im Morgengrauen in See.«
    »Gewiss, o Goldener.«
    Der Autarch lächelte. »Zwei starke Männer, und doch dieselben Worte des Gehorsams — Einklang, geboren aus der Unfehlbarkeit. Welch herrlich harmonische Welt dies doch ist, meine teuren Diener. Könnte es besser sein?« Das Lachen des Autarchen klang merkwürdig hart, als müsste er irgendwelche Zweifel niederkämpfen. Doch Vash wusste, der Autarch zweifelte nie und fürchtete nichts und niemanden. In all den Jahren, die er ihn kannte, von Sulepis' stiller, lerneifriger Kindheit bis zu seiner jähen, gewaltsamen Thronbesteigung, hatte Pinnimon Vash den Autarchen nie anders als so selbstsicher erlebt, dass es an Wahnsinn grenzte.
    »Eine herrliche Welt, in der Tat, o Goldener«, sagte Vash in die Stille, die dem Lachen folgte. Trotz der Beklemmung, die ihn plötzlich überkam, gab er sich allergrößte Mühe, aufrichtig zu klingen.

    Sie ging einfach zur Tür hinaus, ohne dass jemand sie aufhielt. Eben noch war Qinnitan von Licht und Wärme und den beruhigenden Atemgeräuschen ihrer schlafenden Brüder und Schwestern umgeben gewesen, jetzt umfing sie die Kälte einer mondlosen Nacht.
    Die Häuser und Läden der Katzenaugenstraße waren nur schwarze Silhouetten, aber das machte nichts. Das alles hier war ihr so vertraut wie die Landschaft ihres eigenen Körpers; sie wusste, dass der Eingang zu Arjameles Haus genau
hier
war und dass sie, wenn sie die Füße nicht hob, über den gelockerten Trittstein der nächsten Tür stolpern würde. Alles war ihr wohlbekannt, aber sie wusste auch, dass etwas anders war — etwas in der dunklen, kalten Straße war nicht wie sonst.
    Der Brunnen. Der Brunnen war nicht abgedeckt.
    Aber das konnte nicht sein: Nachts war er immer abgedeckt. Doch obwohl sie ihn im Dunkeln nicht ausmachen konnte — sie sah fast nichts, nur die schemenhaften Formen der Gebäude, schwarz

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