Das Spiel
und Knirschen der einbrechenden Höhlendecke. Mächtige Gesteinsbrocken sprangen über den Höhlenboden, es dröhnte wie die große Himmelstrommel. Einige der Wesen, die, ohne es zu wollen, dieses monströse Geschehen ausgelöst hatten, krabbelten wie Ratten über Barrick hinweg, um der Unglückshöhle zu entfliehen. Der Prinz konnte nicht mehr tun, als seinen Kopf zu schützen und den Atem anzuhalten, während ihn die Erschütterungen beutelten.
Unermessliche Mengen Gestein stürzten herab, begruben Halbgötter wie Sterbliche unter sich und versiegelten das Tor zum Reich der Götter für die nächsten tausend Jahre und länger.
38
Unter dem brennenden Auge
Selbst die Götter weinen, wenn sie von der Theomachie sprechen, dem Krieg zwischen der Sippe der drei göttlichen Brüder und der dunklen Sippe Zmeos' des Gehörnten. Viele der Edelsten starben, und wie sie wird es keine mehr geben, aber ihre Taten leben fort und lehren die Sterblichen, was Ehre und rechte Liebe zu den Göttern bedeuten.
Der Anbeginn der Dinge,
Buch des Trigon
So etwas hatte Pelaya noch nie gesehen. Nicht einmal in den schlimmsten Alpträumen ihrer Kinderzeit, wenn Brabinayos Steinstiefel oder andere hungrige Monster aus den Geschichten ihrer Amme hinter ihr her gewesen waren, hatte sie solche Angst und Hoffnungslosigkeit erlebt.
Der Himmel über Hierosol war so schwarz wie bei einem fürchterlichen Gewitter, aber es waren Rauchschwaden und nicht Wolken, die jetzt schon drei Tage die Sonne verdeckten. Zu beiden Seiten der Zitadelle standen weite Teile des Krabbenbucht- und des Brunnenviertels in Flammen. Vom Fenster des Hauses beim Landmannsmarkt konnte Pelaya die Flammen besonders gut sehen, ein schrecklicher und dennoch fesselnder Anblick — als ob in der ganzen Stadt leuchtende Blumen in den Himmel sprießen würden. In den Wohngegenden direkt hinter der Seemauer waren die stinkenden Schwaden der Schwefelflöße in einer giftigen gelben Wolke über die Häuser hinweggequollen. Sie hatte ihren Vater einem der Diener erzählen hören, dass der brennende Schwefel des Autarchen inzwischen die meisten Einwohner des Hafenviertels vertrieben habe und selbst das zum Hafen hin gelegene Ende der Laternenstraße ausgestorben daliege, abgesehen von den Soldatenkolonnen, die eilig von einer gefährdeten Mauerstelle zur anderen marschierten. Das musste das Ende der Welt sein — das, was diese zerlumpten Möchtegern-Propheten auf den kleineren Tempelplätzen so hysterisch verkündeten. Wer hätte gedacht, dass diese schmutzigen, stinkenden Männer am Ende doch recht behalten würden? »Komm da weg, Pelaya!«, rief ihre Schwester Teloni. »Du lässt den giftigen Rauch herein und bringst uns alle um!«
Erschrocken ließ sie den Fensterschieber los, und um ein Haar hätte er ihr im Herabsausen die Finger zerschmettert. Sie drehte sich wütend um, aber die erboste Erwiderung blieb ihr im Halse stecken. Teloni sah hilflos und verängstigt aus, das Gesicht so weiß wie die Ahnenmasken ihrer Familie.
»Der Rauch ist ganz weit weg, unten bei der Seemauer«, erklärte Pelaya, »und der Wind treibt ihn in die andere Richtung. Das Gift kann uns nicht gefährlich werden.«
»Warum schaust du dann hinaus? Warum willst du
das
sehen?« Ihre Schwester zeigte auf den Fensterschieber, als ob dahinter nichts wäre als irgendein unseliger Mensch — ein missgestalteter Landstreicher vielleicht oder irgendeine andere groteske Kreatur, die aufgeben und verschwinden würde, wenn man ihr keine Beachtung schenkte.
»Weil wir im
Krieg
sind!« Pelaya konnte ihre Schwester und ihre Mutter nicht verstehen. Die beiden schlichen durchs Haus, als ob sich dort draußen nichts von diesen erstaunlichen, beängstigenden Dingen abspielen würde. Der kleine Kiril schwenkte immerhin sein Holzschwert und tat so, als stäche er xixische Soldaten ab. »Ist dir das denn völlig gleichgültig?«
»Natürlich nicht.« Teloni stiegen Tränen in die Augen. »Aber wir können doch nichts tun. Was nützt es denn ... es zu begaffen?«
Pelaya stemmte ihre Schulter gegen das Fenster und schob es noch einmal hoch. Sie drückte so fest dagegen, dass sie fast hinausgefallen wäre, als der Schieber nachgab. Teloni schrie leise auf, und Pelaya spürte, wie ihr eigenes Herz raste — das Kopfsteinpflaster des Hofs lag drei Stockwerke unter ihr, tief genug, um ihr alle Knochen im Leib zu brechen.
Die Schwester griff nach Pelayas Arm. »Pass doch auf!« »Mir ist ja nichts passiert, Teli. Komm, ich
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