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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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zeige dir, was Papa gerade macht.«
    »Das weißt du doch nicht. Du bist doch nur ein Mädchen — und jünger als ich!«
    »Ja, aber ich höre zu, was er sagt.« Sie schob das Fenster ganz auf und klemmte es mit dem dicken Holzstab fest, damit sie ihre Hand zum Deuten frei hatte. »Da drüben, beim Brunnentor, siehst du? Das ist die Stelle, wo die Kanonen des Autarchen die Mauer zu durchbrechen versuchen, aber Papa ist zu schlau. Als er gemerkt hat, was sie vorhaben, hat er gleich Männer hingeschickt, um dahinter noch eine Mauer zu bauen.«
    »Noch eine Mauer? Aber die schießen sie doch auch einfach kaputt, oder?«
    »Vielleicht. Aber in der Zwischenzeit hat er schon wieder eine neue gebaut ... und dann noch eine ... und so weiter. Er wird einfach nicht zulassen, dass sie sich eine Bresche freischießen.«
    »Wirklich?« Teloni wirkte ein wenig erleichtert. »Aber werden sie sich nicht unter der Mauer durchgraben? Kiril hat gesagt, dass die Soldaten des Autarchen Tunnel unter den Mauern hindurch graben werden, hier beim Memnos- oder beim Salamandertor, wo kein Meer ist — sie könnten sogar in unserem Garten herauskommen, wenn sie wollen!«
    Pelaya verdrehte die Augen. »Mir glaubst du nicht, aber Kiril? Bei allen Göttern, Teli, er ist erst sieben!«
    »Aber stimmt es denn nicht, was er sagt?«
    »Siehst du das dort?« Sie deutete auf ein seltsames Gebilde hinter dem nächstgelegenen Teil der Zitadellenmauer. »Das ist eine Wurfschleuder, eine Art Maschine, die Steine wirft. Sie kann fast so schwere Steine schleudern wie die große Kanone des Autarchen. Wenn Papa und seine Leute merken, dass jemand einen Tunnel gräbt, dann feuern sie sofort mit Steinen und zerstören ihn.«
    »Mit den Männern des Autarchen darinnen?«
    Pelaya schnaubte. Sollte sie vielleicht heulen, wenn Feinde starben, die
sie
töten wollten? »Natürlich.«
    »Gut. Da bin ich froh.« Teloni starrte sie mit großen Augen an. »Woher weißt du solche Dinge, Pelaya?«
    »Ich hab's dir doch gesagt — ich sperre die Ohren auf. Und wo wir gerade davon sprechen: So bemerken es auch unsere Leute, wenn je irgendein Tunnel bis in die Nähe der Mauern vordringt — durch Horchen. Oder mit Hilfe der Erbsen.«
    »Wovon redest du?«
    »Getrocknete Erbsen. Papa und seine Leute graben überall entlang der Mauern besondere Trommeln ein. Auf die Felle legen sie getrocknete Erbsen. Und wenn dann jemand tief darunter gräbt, hüpfen die Erbsen und machen Lärm. Dann können wir Steine auf diese Feinde werfen oder heißes Ol auf sie kippen.«
    »Aber sie haben doch so viele Soldaten!«
    »Das macht nichts. Wir haben dafür unsere Mauern. Hierosol ist noch nie gewaltsam erobert worden — sagt Papa. Auch Ludis Drakava hätte die Zitadelle niemals einnehmen können, wenn der alte Herrscher einen Thronfolger gehabt hätte. Das weiß doch jeder. Der Rat der Siebenundzwanzig hatte Angst vor dem Autarchen, darum haben sie lieber Drakava die Tore geöffnet.«
    »Aber wenn sie das jetzt für den Autarchen auch tun? Wenn er dem Rat ein Tauschgeschäft dafür anbietet, dass sie ihn hereinlassen?«
    Pelaya schüttelte den Kopf. »Der Rat mag vielleicht aus hartherzigen alten Männern bestehen, aber Narren sind sie nicht. Der Autarch hat noch nie ein Versprechen gehalten. Er würde sie alle hinrichten lassen und dann ihre Knochen zerkauen.« Die Alpträume von früher waren plötzlich wieder da — der Riese in den Steinstiefeln, mit blutverschmiertem Bart und mahlenden Kiefern. Ganz gleich, was sie ihrer Schwester erzählte, das Ende der Welt würde trotzdem kommen. Sie nahm die Holzstütze weg und ließ den Fensterschieber wieder herunter. »Komm, wir helfen Mama. Ich will nicht mehr zuschauen.«
    »Nein! Mach noch nicht zu! Ich will ein paar Xixier brennen oder unter Steingeschossen sterben sehen!« Telonis Augen glühten.
     
    Erst als Pelaya ihre Mittagsgebete sprach, ging ihr plötzlich auf, dass die stinkenden Rauchschwaden, die brennenden Geschosse und der unablässige Hagel heißer Kanonenkugeln von den Schiffen des Autarchen zwar den Protektor Ludis und seine Ratgeber aus dem Palast in die relative Sicherheit der großen Schatzkammer am Magnatenplatz getrieben hatten, dass aber von einer Evakuierung der übrigen Palastbewohner nicht die Rede gewesen war. Was bedeutete, dass König Olin von Südmark immer noch dort oben in seiner Zelle saß.
    Keiner der Diener wusste, wo ihr Vater hingegangen war, und ihre Mutter machte sich solche Sorgen um den Grafen, dass sie

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