Das Spiel Der Götter 13. Im Sturm Des Verderbens
Invictad hat die Hände eines Kindes. Eines grausamen Kindes, das vor sich hin summt, während es zusieht, wie seine Hände die Eingeweide seiner noch lebenden Schoßkatze herauszerren. Oder seines Schoßhundes. Oder eines elenden Gefangenen in einer seiner Zellen. Ein Kind, ja, aber eines, das entfesselt ist, das tun und sein kann, was und wie es ihm gefällt.
Beim Abtrünnigen, Kinder sind solche Ungeheuer.
Dem Kanzler wurde klar, dass er sich heute Nacht ein Kind bringen lassen würde. Zu seinem Vergnügen. Und er würde dieses Kind zerstören, wie es nur ein Erwachsener mit schönen Händen konnte. Es vollkommen zerstören.
Das war das Einzige, was man mit Ungeheuern tun konnte.
Der einäugige Gott, der unsichtbar im Thronraum stand, schäumte vor Wut. Ahnungslosigkeit war ein ewiger Feind, und dem Abtrünnigen war klar, dass er angegriffen wurde. Von Kanzler Triban Gnol. Von Hannan Mosag. Der Zusammenprall dieser beiden Mächte war etwas, das der Imperator auf seinem Thron kaum wahrnahm, dessen war der Abtrünnige sich sicher. Rhulad war in seinem eigenen Käfig aus Gefühlen gefangen, und das Entsetzen schwang all seine Folterwerkzeuge, es stocherte, stieß und bohrte tief. Der Abtrünnige hingegen hatte während der nervenaufreibenden Audienz, die nun vorüber war, mit klaren Augen - nein, mit einem klaren Auge - gesehen, wie grausam dieser Kampf jetzt wurde.
Aber ich kann ihre Geheimnisse nicht ergründen. Weder das von Triban Gnol, noch das von Hannan Mosag. Dies ist meine Sphäre. Meine!
Er könnte einen alten Pfad erneut beschreiten. Den, der ins Schlafzimmer des Kanzlers führte. Aber selbst damals, als diese Beziehung in voller Blüte gestanden hatte, hatte Triban Gnol seine Geheimnisse für sich behalten. Er war einfach in seine verschiedenen Persönlichkeiten von unschuldigem Opfer und naivem Kind versunken, war zu kaum mehr als einem Einfaltspinsel geworden, wenn er mit dem Abtrünnigen - mit Turudal Brizad, dem Galan der Königin, der niemals alterte zusammen gewesen war, und hatte sich nicht aus den Spielen herausholen lassen, die er so sehr brauchte. Nein, das würde nicht klappen, weil es niemals geklappt hat.
Gab es irgendeinen anderen Weg zum Kanzler?
Selbst jetzt war Triban Gnol eine gottlose Kreatur. Er war niemand, der vor dem Abtrünnigen das Knie beugte. Also war auch dieser Pfad verschlossen. Ich könnte ihm einfach folgen. Überall hin. Seinen Plan zusammensetzen, indem ich auf die Befehle lausche, die er erteilt, indem ich die Sendschreiben lese, die er verschickt. Indem ich darauf hoffe, dass er im Schlaf spricht. Beim Abgrund hienieden!
Er war wütend, oh ja, das war er. Über seine eigene, wachsende Panik, während die Konvergenz immer näher rückte. Was Hannan Mosag anging, wusste er ebenfalls nicht mehr, auch wenn ihm ein paar Einzelheiten nicht verborgen blieben. Die Macht des Verkrüppelten Gottes, beispielsweise. Doch selbst in diesem Fall war der Hexenkönig kein einfacher Diener, kein hirnloser Sklave einer chaotischen Verheißung. Schließlich hatte er das Schwert gewollt, das jetzt in Rhulads Hand war. Aber wie jeder andere Gott hatte auch der Gefallene keine Lieblinge. Wer als Erster beim Altar ankam … Nein, Hannan Mosag würde sich in dieser Hinsicht keinen Täuschungen hingeben.
Der Abtrünnige blickte einmal mehr zu Rhulad, diesem Imperator der Tausend Tode. Trotz seiner Masse saß der Narr nun schmerzhaft bedeutungslos auf seinem Thron - es war so offensichtlich, dass es bereits schmerzte, ihn auch nur anzusehen. So allein in diesem riesigen Raum mit der Kuppeldecke, brachen sich in den glitzernden Augen die Tausend Tode in zehntausend Zuckungen.
Der Kanzler und sein Gefolge waren fort. Genau wie der Ceda mit seiner Handvoll gebrochener K’risnan. Es war keine einzige Wache in Sicht, doch Rhulad blieb. Er saß da, und die polierten Münzen glänzten. In seinem Gesicht war nun all das höchst ausdrucksvoll zu sehen, was vorher verborgen und verschlossen gewesen war. Das ganze Pathos, die elenden Heimsuchungen - der Abtrünnige hatte es immer gesehen, hatte in Gesicht um Gesicht in einer Zeitspanne, die zu lang gewesen war, um die Jahre zu zählen, immer die Teilung der Seele gesehen, den Unterschied zwischen einem Gesicht, das wusste, dass es beobachtet wurde, und einem Gesicht, das glaubte, allein zu sein. Zweiteilung. Und er hatte es gesehen, wenn das Innere nach außen gekrochen war, in eine Welt, die anscheinend nichts bemerkte.
Die geteilte Seele.
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