Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)

Titel: Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
hatte gute Soldaten aus ihnen gemacht. Welches Kind kennt schließlich keine Wut?
    Aber das Gefäß zerbricht.
    Nimander glaubte jetzt, dass der Sterbende Gott ein Kind war. Die verrückten Priester füllten ihn, denn sie wussten, dass das Gefäß undicht war, und tranken dann das kindlich unreife Wasser, das heraussickerte. Und weil er ein Kind war, waren der Durst und die Not des Sterbenden Gottes endlos, wurden sie niemals gestillt.
    Als sie auf der Straße immer weiter gen Westen zogen, fanden sie sich zwischen bepflanzten Feldern. Hier waren die Vogelscheuchen wirklich tot, verbraucht. Verdorrt und in ein paar schwarze Stofffetzen gehüllt, wiegten sie sich steif im Wind. Sie waren verströmt, diese Leben, und Nimander betrachtete die Felder jetzt als bizarre Friedhöfe, bei denen irgendeine örtliche Glaubensverirrung darauf bestanden hatte, dass die Toten aufrecht hingestellt wurden, so dass sie immer bereitstanden für was auch immer kommen mochte.
    Beobachter dieser Straße und all der Narren, die auf ihr unterwegs waren.
    Einmal – ungefähr ein Jahr vor den ersten Angriffen – waren zwei halb tote Dal Honesen ans felsige Ufer von Drift Avalii gespült worden. Sie hatten aus ungeklärten Gründen in einem uralten Einbaum zur Insel Geni paddeln wollen. Beide waren nackt, da sie jeden Fetzen Stoff, den ihre Kleidung hergegeben hatte, in die Risse des Rumpfs gestopft hatten – doch wie sich herausstellte, waren es zu viele Risse gewesen, und das Boot war schließlich gesunken, so dass die beiden Männer schwimmen mussten.
    Der Stups des Lords führte sie nach Drift Avalii, und irgendwie hatten sie die mörderischen Riffe und Felsen überstanden, die die Insel säumten.
    Sie hatten in den dunklen Dschungeln ihres Heimatlands gelebt und gehörten zu einem Stamm, der von seinen eigenen Vorfahren besessen war. Bei diesem Stamm wurden die Toten nicht begraben. Sie wurden zu einem Teil der Schlammmauern der Hütten des Dorfes. Wenn in einer Familie jemand starb, wurde ein neuer Raum angefangen, anfangs nur als einzelne Mauer, die nach außen ragte. Und in dieser Mauer war der Leichnam, die Augenhöhlen, die Nase, die Ohren und der Mund mit Lehm gefüllt. Lehm, der sich wie eine neue Haut über Gesicht, Gliedmaßen und Rumpf zog. Sie kamen aufrecht in die Mauern, in Posen, als würden sie herumspringen, als wären sie beim Tanzen erstarrt. Zwei weitere Verwandte mussten sterben, bis der Raum fertig und bereit war, ein Dach aus Palmwedeln und Ähnlichem zu bekommen.
    Manche Häuser waren so groß wie Burgen, alles auf Höhe des Erdbodens, ein Labyrinth aus Zimmern, hunderte von Zimmern, die alle dunkel und stickig waren. Auf diese Weise gingen die Toten niemals. Sie blieben, sahen alles, urteilten ewig – dieser Druck, sagten die beiden Flüchtlinge, konnte einen in den Wahnsinn treiben, und oft tat er es auch.
    Der Dschungel widersetzte sich dem Ackerbau. Seine Erde wollte nicht gezähmt werden. Die riesigen Bäume waren Feuer gegenüber unempfindlich und konnten die Schneide einer eisernen Axt verbiegen. Die Dörfer wurden mit der Zeit zu groß, sie verschlangen Land, während die gerodeten Gebiete um sie herum ausgelaugt waren. Rivalisierende Stämme litten unter den gleichen Gegebenheiten, und binnen kürzester Zeit gab es Kriege. Die toten Vorfahren verlangten, dass Verfehlungen gerächt wurden. Ermordete Verwandte – deren Leichen gestohlen worden waren, so dass man sich nicht richtig um sie kümmern konnte – waren eine offene Wunde, ein Verbrechen, auf das reagiert werden musste.
    Blutvergießen auf beiden Seiten, sagten die beiden Flüchtlinge. Blutvergießen auf beiden Seiten, das ist alles. Und als der Feind dann angefangen hatte, Dörfer zu zerstören und niederzubrennen …
    Auf diesen Wahnsinn gab es keine andere Antwort als die Flucht.
    Über all dies dachte Nimander nach, während er seine Stute an den Zügeln die staubige Straße entlangführte. Er hatte keine Vorfahren, die ihn heimsuchten, keine Vorfahren, die verlangten, dass er dieses oder jenes tat, dass er sich so und nicht so verhielt. Vielleicht war dies Freiheit, aber ihm vermittelte es eher ein merkwürdiges Gefühl von … Verlorenheit.
    Die beiden Dal Honesen hatten ein neues Boot gebaut und waren davongepaddelt – nicht zurück nach Hause, sondern zu einem unbekannten Ort, einem Ort, an dem es keine nie blinzelnden Geister gab, die aus allen Wänden starrten.
    Vom Wagen kamen schaukelnde Geräusche, und als Nimander sich umdrehte,

Weitere Kostenlose Bücher