Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Julian entgeistert.
»Die Rosen, Sir. Weiß oder rot?«
»Oh, keine Ahnung. Warum willst du das wissen?«
»Einer von Somersets Bogenschützen hat mir erzählt, es bringt Unglück, wenn man sich an weißen Rosen verletzt. Es entzündet sich viel schneller als bei roten.«
»Wirklich?«, fragte Julian belustigt. »Ich schätze, das liegt daran, dass der Bogenschütze des Duke of Somerset Lancastrianer ist, Alexander. Bei den Yorkisten erzählen sie sich vermutlich das Gegenteil.«
»Tja. Kann sein«, murmelte der Knappe nachdenklich und rasierte die gefährliche Partie unter dem Kinn. »Und wenn Ihr Recht habt und wir schlagen die Yorkisten dieses Mal wieder, Sir, was passiert dann mit dem Earl of Warwick?«
Julian deutete ein Schulterzucken an. »Wenn wir ihn erwischen, verliert er den Kopf. Dafür wird die Königin sorgen.«
Alexander antwortete nicht. Er ließ das Messer sinken, und Julian warf ihm über die Schulter einen Blick zu. »Wie kommt es, dass du dir ausgerechnet über Warwick Gedanken machst?«
»Er ist mein Cousin.«
»Na und? Meiner auch. Trotzdem ist er ein Verräter.«
Die Augen des Jungen waren kummervoll. »Es kommt mir nur so widersinnig vor, Sir. Das ist … ein Bruderkrieg. Ich kann nicht glauben, dass Gott es gutheißt. Und wir werden alle so enden wie Kain und Abel: Verdammt oder tot.«
Julian nickte. »Oder beides.«
Alexander wandte sich ab. »Ihr macht Euch über mich lustig«, murmelte er vorwurfsvoll, spülte das Messer in der Waschschüssel ab und räumte es sorgsam weg.
»Nein.« Julian beschloss kurzerhand, dem Jungen reinen Wein einzuschenken und den Schutzschild seiner Flapsigkeit wenigstens für einen kurzen Moment zu senken. »Du hast vollkommen Recht. Es ist ein gottloser Bruderkrieg, und ich weiß oft selbst nicht, was ich denken soll. Der Earl of Warwick hat mich ausgebildet und war mir oft ein guter Freund. Es hat mir … ziemlich zu schaffen gemacht, dass unsere Wege uns in verfeindete Lager geführt haben. Und der König ist nicht gerade ein Mann, der Ergebenheit in einem weckt, nicht wahr? Man fragt sich manchmal, ob es sich wirklich lohnt, für ihn ins Feld zu ziehen.«
»Mylord!«, rief Alexander erschrocken aus.
Julian fuhr unbeirrt fort. »Aber der Duke of York ist nur auf den ersten Blick die bessere Wahl. Glaub mir, ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, sein wahres Gesicht zu sehen, und es war kein schöner Anblick. Er würde England ganz sicher nicht mehr Glück bringen als der fromme Henry, so unfähig und umnachtet der König auch sei. Und unser Cousin Warwick, der ruhmreiche Richard Neville, hat sich zu Yorks Geschöpf machen lassen. Er ist nicht besser als er. Wir alle müssen eine Entscheidung treffen, Alexander. Jeder von uns. Und sie ist für keinen leicht, für einen Neville schon gar nicht. Aber jeder Mann von Stand in England hat Verwandte und Freunde in beiden Lagern. Wer sich nicht entscheidet, der wird zerrissen. Also, triff deine Wahl. Wirf eine Münze. Tu irgendwas. Aber entscheide dich, sonst gehst du vor die Hunde.«
Alexander stand mit gesenktem Kopf vor ihm und schluckte sichtlich. Doch als er aufschaute, war ein kleines Lächeln in seinen Mundwinkeln. »Danke, Mylord, dass Ihr so offen wart. Ich habe gedacht … ich sei der Einzige, der es schwierig findet, sich zu entscheiden.«
»Das bist du todsicher nicht«, sagte Julian. »Ich schätze, esgeht viel mehr Männern so, als wir ahnen, nur machen die meisten ein Geheimnis daraus. Und das sollten wir auch wieder tun, sobald diese Unterhaltung vorüber ist. Königin Marguerite sind halbherzige Anhänger verhasster als Feinde. Die Männer ihrer Schwanengarde sind überall, sie sehen alles, und sie hören alles. Man ist gut beraten, seine Gefühle vor ihnen und der Königin zu verbergen. Möglichst tief.« Und das, befand er, war das weiseste Wort, das er heute gesprochen hatte, und ein guter Rat, den vor allem er selbst beherzigen sollte.
Die wundervolle Halle von Kenilworth war durchflutet von warmem Nachmittagslicht. John of Gaunt, der große Duke of Lancaster, hatte sie vor langer Zeit für seine legendären Hoffeste bauen lassen, und seine Sucht nach verschwenderisch großen Glasfenstern und anderem Prunk hatte dafür gesorgt, dass sie zu den schönsten und lichtesten in ganz England zählte.
Julian entdeckte Algernon Fitzroy, Lucas Durham und Frederic of Harley im Schatten der Galerie, wo sie mit Somerset und einigen anderen jungen Lords zusammenstanden, doch ehe er sich
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