Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
dieser Wiesen und einen sachten Hügel empor, auf dessen Kuppe sich ein achteckiges Gebäude erhob. Julian lief leichtfüßig die Treppe hinauf und drückte gegen die Tür. Sie schwang auf gut geölten Angeln nach innen. Er trat ein und kam in eine dämmrige, menschenleere Halle mit hohen, verglasten Fenstern. In ihrer Mitte stand eine runde Tafel, darum kostbar gepolsterte Sessel, und über jedem hing ein berühmtes Wappen, gekrönt von einem blauen Band.
»Oh, bei St. Georgs Eiern«, murmelte Julian. »Die Halle der Ritter des Hosenbandordens.«
»So ist es. Der Tempel höchster ritterlicher Weihen. Und deswegen solltest du vielleicht nicht gerade hier die Eier ihres Schutzheiligen anrufen, du Lump.«
Julian fuhr erschrocken zusammen und wandte den Kopf. Sein Ohr hatte ihn nicht getrogen. Keine fünf Schritte von ihm entfernt lehnte sein einstiger Dienstherr und Lehrmeister mit verschränkten Armen an der Wand: Richard Neville, der Earl of Warwick.
»Mylord!« Mit leuchtenden Augen trat Julian auf ihn zu und verbeugte sich artig.
Warwick verpasste ihm eine Kopfnuss und lachte in sich hinein. »Verneig dich nicht vor mir, Julian, du bist jetzt ein Lord.«
»Noch nicht offiziell«, entgegnete der Jüngere hastig, als ändere das irgendetwas an den Tatsachen.
Warwick betrachtete ihn aufmerksam. »Du willst nicht?«
Nicht unter diesem König, dachte Julian, aber er sprach esnicht aus. »Ich schätze, ich muss mich erst an den Gedanken gewöhnen, Mylord«, erwiderte er stattdessen.
Er erntete noch eine Kopfnuss. »Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe, Bengel? Nenn mich Richard. Schließlich sind wir Cousins, nicht wahr.«
Das waren sie in der Tat, wenn auch zweiten Grades: Julians Großvater – der berühmte Kardinal von England – und Warwicks Großmutter – die kaum minder berühmte Lady Joan Beaufort – waren Geschwister gewesen.
Der junge Waringham rieb sich grinsend den gemaßregelten Schädel. Er war geschmeichelt.
»Eins ist jedenfalls gewiss«, fuhr Warwick fort. »Arthur Scrope hat der Welt ein einziges Mal einen Dienst erwiesen, als er deinen grässlichen Vetter Robert erschlug.«
»Ich habe bloß Mühe zu glauben, dass er es aus dem Grund getan hat.«
Sie lachten, und wenngleich es nur ein leises Lachen war, hallte es doch in dem leeren Saal, schien die feierliche Stille zu entweihen.
»Nun ja«, Warwick hob kurz die breiten Schultern. » Honi soit qui mal y pense , sagt man hier gern.« Er wies auf die blauen Bänder der Wappen, wo dieses französische Motto des Hosenbandordens in goldenen Lettern eingestickt war: Wehe dem, der Übles dabei denkt . »Aber es ist nicht recht von mir zu spotten. Ich bin sicher, du bist erschüttert über den Tod deines Vaters. Es tut mir leid, Julian. Wenn ich heute noch einmal mit Richard of York vor St. Albans stünde, würde ich wieder das Gleiche tun. Aber das hab ich nicht gewollt.«
»Nein, ich weiß.«
Sie schwiegen einen Moment, und die Stille machte Julian verlegen. Wie eigentümlich es sich anfühlte, hier so plötzlich dem Mann gegenüberzustehen, in dessen Haushalt er fast drei Jahre lang gelebt hatte, dem er in knabenhafter Heldenverehrung auf Schritt und Tritt gefolgt war, wann immer er durfte.
Der Earl of Warwick war ein gut aussehender, athletischer Mann mit dunklem Haar, einer strengen Adlernase und fesselndenblaugrauen Augen. Er war erst siebenundzwanzig Jahre alt, aber schon einer der mächtigsten Adligen des Reiches. Obwohl dem Haus Lancaster verwandtschaftlich nah verbunden, hatten er und sein Vater, der Earl of Salisbury, sich im jahrelang schwelenden Konflikt zwischen des Königs Vertrauten und dem Duke of York auf Yorks Seite geschlagen. Dabei war es kein Geheimnis, dass der ehrgeizige York damit liebäugelte, sich der Krone zu bemächtigen. Mit Warwicks und Salisburys Unterstützung hatte er die engsten Verwandten und Ratgeber des Königs nach und nach entmachtet und vernichtet, bis der König mutterseelenallein dastand.
Julians Vater hatte sie deswegen Verräter genannt.
Julian hingegen hatte als Knappe auf Warwick Castle gelernt, dass auch ein König nicht über jeden Zweifel erhaben war. Dass man zumindest darüber nachdenken durfte, ob ein Souverän, der halb Frankreich verlor, sich von seinen Höflingen gängeln ließ und dessen Reich in Rebellionen und wirtschaftlicher Not zu versinken drohte, der hohen Würde seines Amtes noch gerecht wurde.
Schließlich gab Julian sich einen Ruck und brach das Schweigen. »Ich
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