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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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mich.«
    Henry wandte den Blick zum Fenster und nickte. »Euer Vater und der Duke of Somerset waren meine ältesten und vertrautesten Freunde«, eröffnete er ihm. »Aber Einsamkeit ist Teil der Bürde, die ein König zu tragen hat. Sie gehört zu diesem Amt ebenso wie die Krone und das Szepter. Gott und die heilige Jungfrau spenden mir Kraft und Trost.«
    Julian bekam allmählich das Gefühl, als drücke die Stimmung im Raum ihm die Luft ab. Verstohlen betrachtete er den König aus dem Augenwinkel und sah angewidert, dass zwei Tränen über die eingefallenen Wangen rollten und im spärlichen Bart versickerten.
    Henry war vierunddreißig Jahre alt, wusste Julian, aber die Erscheinung des Königs wirkte greisenhaft. Nicht die grauen Strähnen im schütteren braunen Haar waren daran schuld, nicht einmal die Furchen auf der Stirn und den bleichen Wangen, vielmehr waren es die schleppenden Bewegungen und die gebeugte Haltung, die diesen Eindruck erweckten. Julian fragte sich, ob es wirklich die Bürde des Amtes war, die den König so niederdrückte und vor der Zeit altern ließ, oder die eineinhalb Jahre schwerer Krankheit und geistiger Umnachtung. Wahrscheinlich beides, schloss er, aber sosehr er sich auch bemühte, er konnte kein Mitgefühl für diese Jammergestalt aufbringen.
    Vielleicht spürte der König das. Jedenfalls nahm er sich plötzlich zusammen, schenkte seinem jungen Besucher ein kummervolles Lächeln und wies aus dem Fenster. »Ich glaube, es gibt im Frühling keinen schöneren Ort in England als Windsor Castle«, bemerkte er. »Wart Ihr je zuvor hier?«
    Julian nickte. »Als Junge hat mein Vater mich manchmal mit an den Hof genommen, Sire.« Vor allem, nachdem sein Onkel Raymond gestorben und Robert Earl of Waringham geworden war. »Ich war ein paar Monate auf Eurer Schule in Eton«, fügte Julian hinzu.
    Henrys Miene hellte sich auf. »Ist das wahr?« Die Schulen, die er im unweit von Windsor gelegenen Eton, in Cambridgeund in Canterbury gegründet hatte, waren ihm ein besonderes Anliegen. »Ich hoffe, Ihr habt dort viel Nützliches gelernt.«
    »Oh ja, Sire. Vor allem, nicht zu heulen, wenn ich Prügel bezog. Das war die Lektion, in der mich zu üben ich dort am häufigsten Gelegenheit hatte«, bekannte Julian grinsend.
    Der König nickte, aber er war offenbar nicht amüsiert. »Es ist betrüblich, dass so wenige englische Lords und Ritter Freude an frommer Gelehrsamkeit haben«, sagte er. »Wenn das anders wäre, stünden wir heute vermutlich besser da in der Welt.«
    Ja, und wie gut stünden wir erst da, wenn wir keine schwermütige Bibelschwester auf dem Thron hätten, dachte Julian boshaft. Süßer Jesus, gib, dass er mich bald entlässt …
    Henry betrachtete ihn einen Moment. Es schien ein vorwurfsvoller, gekränkter Blick zu sein, als habe er einen Hauch von Julians ungehörigen Gedanken erhascht. Der junge Mann stand vor ihm und hinderte sich nur mit Mühe daran, ungeduldig von einem Fuß auf den anderen zu treten.
    »Bleibt bis Sonntag, Waringham«, lud Henry ihn unvermittelt ein. »Nach dem Hochamt werden Wir Euch mit Freuden zum Ritter schlagen.«
    Julian verneigte sich tief. »Danke, Sire.«
    »Ihr braucht einen Vormund.« Der König seufzte, als sei die Angelegenheit ihm lästig. »Ich werde darüber nachdenken.«
    »Danke, Sire«, wiederholte Julian.
    »Ihr dürft Euch entfernen.«
    Unendlich erleichtert ging der junge Waringham hinaus.
     
    Windsor im Frühling war in der Tat ein wundervoller Anblick, stellte er fest, als er ins Freie trat. Vor seiner Begegnung mit König Henry war er zu nervös gewesen, um sich sehenden Auges umzuschauen, und das holte er nun nach. Seit der Eroberer sie angelegt hatte, hatten viele englische Könige eine besondere Vorliebe für diese Burg gehegt, und Henry war nicht der erste von ihnen, der hier das Licht der Welt erblickt hatte. Einige Herrscher hatten die schöne Burg nach ihren Vorstellungen und der architektonischen Mode ihrer Zeit umgebaut,sodass die Türme, die Kapelle und Wohngebäude ein wenig durcheinandergewürfelt schienen. Aber sie waren alle aus dem wundervollen graugelben Sandstein dieser Gegend gebaut, der in der Junisonne so hell leuchtete, dass man nur blinzelnd hinschauen konnte. Und Julian kannte keine zweite Burg mit solch einem riesigen Innenhof. Die Freiflächen waren mehrheitlich mit Rasen bedeckt, und darum wirkte Windsor grün. Das war höchst ungewöhnlich.
    Immer noch ein wenig beklommen schlenderte der junge Mann über eine

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