Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
herauszufinden, wer ich bin. Es war eine teuer erkaufte Erkenntnis, und sie ist mir dementsprechend kostbar. Neben anderen Dingen bin ich Lancastrianer, so wie jeder Waringham vor mir. Mein Großvater hat für das Haus Lancaster ungezählte Male Kopf und Kragen riskiert, mein Vater ist dafür gestorben. Und ich schätze, sie hatten oft Zweifel an dem, was sie taten, oder an den Männern, in deren Dienst sie sich gestellt hatten. Aber sie haben weitergemacht, weil sie an alte Tugenden wie Eidtreue und die Unverbrüchlichkeit eingegangener Verpflichtungen glaubten. Und das tue ich auch, denn diese Dinge sind wertvoll. Und wenn ich sie aufgebe, dann … na ja, dann gebe ich mich in gewisser Weise selbst auf. Darum kann ich nicht Yorkist werden, solange das Haus Lancaster fortbesteht. Welchen Wert hätte mein Lehnseid denn auch für Euch, wenn ich damit doch den bräche, den ich Henry geleistet habe?«
Edward nickte versonnen und ließ ihn nicht aus den Augen. Dann trank er aus einem der beiden unberührten Pokale, drehte ihn zwischen den Händen und bemerkte: »Es gibt einen Haufen Lords, die sich mit dieser letzten Frage weitaus weniger schwer tun als Ihr.«
Julian schüttelte den Kopf. »Das ist allein ihre Angelegenheit.«
»Das ist wohl so«, stimmte der junge König zu, stellte den Becher ab, löste sich vom Tisch und trat auf Julian zu. »Ich bin Euch dankbar für Eure Offenheit und Aufrichtigkeit, Waringham. Nicht viele Männer hätten den Mut dazu gehabt. Umso mehr bedaure ich Eure Entscheidung. Aber ich werde Euch nicht enteignen, solange Ihr mich nicht zwingt.«
»Wieso nicht?«, fragte Julian, ebenso verständnislos wie argwöhnisch. »Ich kann nur hoffen, Ihr erwartet nicht, mit Eurer Milde meine stillschweigende Duldung zu erreichen.«
»Nein.« Ein Lächeln huschte über das gut aussehende Gesicht.»Ich erreiche Eure stillschweigende Duldung auf anderem Wege.«
»Ah ja?« Julian verschränkte bockig die Arme. »Und zwar?«
»Das werdet Ihr bald genug herausfinden. Und dann grollt mir nicht gar zu sehr. Mir geht es genau wie Euch, Waringham: Ich tue, was ich tun muss.«
Es war fast dunkel, als Julian nach Farringdon zurückkam. In der Hornschnitzerwerkstatt, die seinem Tor gegenüberlag, brannte noch Licht, ansonsten waren die Läden längst geschlossen.
Julian ritt in seinen Hof, wo ihn wie üblich der verlockende Duft nach frischem Brot empfing, und der Älteste des Bäckers kam herbeigelaufen und schloss das Tor.
Julian saß ab. »Wenn du mein Pferd absattelst und fütterst, bekommst du einen halben Penny, Bill«, bot er dem Jungen an.
Bill strahlte und hielt die Hand auf. »Einverstanden, Mylord.« Er ließ die Münze in seinem Beutel verschwinden und fragte diensteifrig: »Kann ich sonst noch was für Euch tun?«
Julian schüttelte grinsend den Kopf. »Ich schätze, aus dir wird einmal ein guter Geschäftsmann.«
»Das sagt Vater auch«, erzählte der vielleicht zehnjährige Knabe stolz, nahm das große Pferd furchtlos und fachmännisch am Zügel und führte es zum Stall hinüber. Dädalus, der es für gewöhnlich überhaupt nicht schätzte, von fremder Hand geführt zu werden, ging anstandslos mit.
Julian betrat sein Stadthaus, und schon am Fuß der Treppe kam ihm die hübsche Anabelle entgegen.
»Was gibt es denn?«, fragte Julian ein wenig unwirsch. Er wollte seine Ruhe. Er hatte über eine Menge Dinge nachzudenken.
Die Magd knickste. »Ihr habt Besuch, Mylord.«
»Wirklich? Aber ich habe niemandem verraten, dass ich hier bin.« Was ihn zu der Frage brachte, wie dieser Hastings ihn eigentlich gefunden hatte. »Kein netter Besuch, he?«
»Ich weiß nicht.« Anabelle, sonst immer so unerschütterlich, verknotete nervös die Finger. »Drei Gentlemen und zweiDamen. Und ich glaube, die Gentlemen wollen sich gegenseitig umbringen.«
Julian reichte ihr Mantel und Kapuze und zog sein Schwert. »Na, dann wollen wir sie uns mal anschauen, diese Gentlemen.«
Lautlos ging er die Treppe hinauf und über die Galerie zu der kleinen, behaglichen Halle. Die Tür war angelehnt.
»Sag, dass das nicht wahr ist, Hal, verflucht sollst du sein!«
»Jasper, um der Liebe Christi willen …« Das war Megan, erkannte Julian erstaunt. Und sie hatte Angst.
Er steckte seine Waffe wieder ein und schob die Tür auf. »Darf ich erfahren, wer wen warum in meinem Haus verflucht?«, erkundigte er sich.
Seine Gäste waren eigentümlich reglos. Sie wandten lediglich die Köpfe in seine Richtung, ansonsten
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