Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
hatte sich offenbar nicht den Hals gebrochen, er war auch nicht bewusstlos. Alice hörte ihn schluchzen.
    »Schsch«, machte sie und hockte sich neben ihn ins Gras. Sie bewegte sich langsam, um ihn nicht aufs Neue zu erschrecken, hob zögernd die Hand und legte sie auf seinen Kopf. »Es ist gut«, sagte sie beschwichtigend. »Die Rabauken sind weg. Du musst nicht mehr weinen. Jetzt ist alles gut.«
    Aber es dauerte lange, bis er sich beruhigte. Alice strich ihm über den Schopf und hatte reichlich Gelegenheit, sich zu fragen, warum sie ihre Zeit hier mit dem Dorftrottel vergeudete. Die Antwort war indes ganz einfach: Sie hatte nichts Besseres vor. Sie war unter Fremden gestrandet, und diese verängstigte, gepeinigte Seele war der erste Mensch in Waringham, dem sie sich verbunden fühlte.
    Schließlich ließ das Schluchzen und Wimmern nach, und er lag still. »Wie heißt du?«, fragte er unvermittelt.
    »Alice.«
    »Bist du ein Engel?«
    Sie grinste und biss sich auf die Unterlippe. Schade, dass meine Mutter das nicht hört … »Nein, ich bin kein Engel. Du kannst mich anschauen, dann wirst du sehen, dass ich ein gewöhnlicher Mensch bin.«
    Er reagierte nicht sofort. Vielleicht bedurfte es eines langen, komplizierten Denkprozesses in seinem verwirrten Kopf, um zu entscheiden, ob es wirklich ungefährlich wäre, sie anzusehen.
    Schließlich richtete er sich auf die Knie auf und hob langsam den Kopf. Seine Wangen waren noch nass von Tränen, aber er lächelte, und Alice war gerührt von diesem vollkommen arglosen Kinderlächeln in dem nicht mehr jungen Gesicht.
    Sie erwiderte es unwillkürlich. »Und wie ist dein Name?«, erkundigte sie sich.
    »Melvin.«
    »Wo wohnst du, Melvin?« Geben die Bauern so einem überhaupt ein Zuhause?, überlegte sie.
    Doch ihre Sorge erwies sich als unbegründet. »Gestüt«, antwortete er. »Bei Roland.«
    Wohl eher bei den Stallknechten, nahm sie an, denn sie hatte ihn noch nie gesehen.
    »Darf ich …« Melvin hob unsicher die Hand. »Darf ich mal dein Haar anfassen?«
    Eine innere Stimme warnte Alice. Schwachsinnigen ist nicht zu trauen, hatte man sie gelehrt. Nicht wenige sind vom Satan oder einem Dämon besessen, und eine Frau ist in ihrer Nähe niemals sicher. Aber sie hatte nie zuvor so unschuldige Augen gesehen. Wenn die Augen wirklich die Fenster zur Seele waren, dann wohnte in diesem Leib kein Satan. Sie entschied sich für einen Kompromiss. »Aber nur ganz kurz.«
    Mit einem seligen Lächeln nahm er eine Hand voll ihrer offenen blonden Haarpracht, befühlte sie einen Moment zwischen seinen rauen Fingern und ließ sie sofort wieder los.
    Na bitte, dachte Alice eine Spur erleichtert.
    »Mel, was um Gottes willen tust du da?«, rief plötzlich eine Stimme vom Flussufer herüber.
    Melvin und Alice sprangen beide auf die Füße, schuldbewusst, obwohl sie doch gar nichts Verbotenes getan hatten.
    Ein großer Mann eilte mit langen Schritten auf sie zu, und als er näher kam, dachte Alice einen Augenblick, es sei ihr Vater. Dann erkannte sie ihren Irrtum. Dieser Mann war ohne jeden Zweifel ein Bauer, und wenngleich er sich für das Dorffest gewiss ordentlich geschrubbt hatte und seine Kleidung sauber zu sein schien, roch er doch eindeutig nach Schafen. Er verneigte sich vor ihr. »Ich hoffe, er hat Euch nicht belästigt, Lady Alice.«
    »Woher denn.« Sie wies auf den Ast, der einen Steinwurf hügelaufwärts lag und immer noch schwelte. »Ein paar Lausebengel haben ihm einen üblen Streich gespielt, und bei der Gelegenheit ist er mir in die Arme gelaufen.«
    Der Mann senkte den Blick. »Verfluchtes Lumpenpack …«, schimpfte er vor sich hin, dann besann er sich. »Vergebt mir, Mylady. Mein Name ist Adam. Adam Robertson nennen sie mich. Melvin ist mein Bruder.«
    »Jesus«, entfuhr es ihr. »Du bist der Mann, der zu den Yorkisten übergelaufen ist und meinem Vater nicht den Kopf abschlagen wollte.«
    Adam starrte sie fassungslos an. Im Mondschein konnte sie nicht sicher sein, aber sie hatte den Eindruck, als sei er errötet. »Das hat er erzählt?«, fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nicht uns. Aber meiner Mutter. Sie hat irgendwann einmal mit meiner Tante Blanche darüber geredet, und das hat meine Schwester Juliana gehört. Wir haben die letzten Jahre meist auf sehr engem Raum gelebt, da kommen früher oder später alle Geheimnisse ans Licht.« So wie das meine, fügte sie in Gedanken hinzu.
    Adam zeigte ein kleines Lächeln. »Oh ja, das kenne ich. Darum wissen die Leute in

Weitere Kostenlose Bücher