Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
auf seinen ergaunerten Thron gesetzt. Die versammelten yorkistischen Lords jubelten, und Buckingham war der erste, der ausrief: »Gott schütze den König! Lang lebe König Richard!«
Die anderen nahmen den Ruf hastig auf.
Unmittelbar darauf begannen die Vorbereitungen für die feierliche Krönung in Westminster, die auf den 6. Juli festgesetzt worden war.
»Ich glaube, es wird Zeit, dass ich verschwinde«, sagte Julian, als Bruder Owen ihm davon berichtete.
»Meine Rede seit Wochen«, stimmte der rothaarige Mönch zu. »Die Frage ist nur, wie? Gloucesters Bluthunde – oder muss ich jetzt König Richards Bluthunde sagen? – lauern an jedem Ausgang des Klosters und warten auf dich.«
Das bereitete Julian wenig Sorgen. »Ich gehe heute Nacht. Über den Fluss.«
»Aber sie bewachen auch die Kais, Julian. Gloucester hat mehrere tausend Mann in der Stadt.«
» Mehrere Tausend ?«, wiederholte Julian fassungslos. »Woher?«
»Er hat sie aus dem Norden angefordert. Sie kontrollieren sowohl London als auch Westminster.«
Julian schnaubte verächtlich. »Gloucester fürchtet sich immer noch vor einer Revolte der Woodvilles.«
Bruder Owen nickte: »Wie du schon sagtest: Er wird den Rest seines Lebens damit zubringen, über die Schulter zu schauen.«
So blieb Julian keine andere Wahl, als Zeuge zu werden, wie aus Richard Duke of Gloucester König Richard III. von England wurde. Er nahm an, er hatte verdient, es mitansehen zu müssen, weil er es nicht verhindert hatte. Aber es war eine harte Strafe, fand er. Diese Krönung wurde eine Zeremonie von solchem Prunk und Pomp, wie Westminster sie nie zuvor erlebt hatte. Buckingham, wusste Julian, hatte diese Farce inszeniert und zog alle Fäden. Kein Geringerer als der Duke of Norfolk trug die Krone in den hoch erhobenen Händen, der Earl of Surrey das Reichsschwert. Als Erzbischof Bourchier dem neuen König die altehrwürdige Krone aufs Haupt setzte, wurde Julian flau, und als er den feierlichen Krönungseid des neuen Königs vernahm, wurde ihm speiübel. Der einzig erquickliche Anblick war der der Königin an Richards Seite. Trotz oder auch gerade wegen ihrer kränklichen Blässe gab Anne Neville eine hinreißende Königin ab, und die Krone stand ihr hervorragend. Das Volk von Westminster und London, das sich in die Klosterkirche gedrängt hatte und in dessen Mitte er sich verbarg, jubelte ihr zu. Mit einem wehmütigen Lächeln dachte Julian, wie viel es Annes Vater bedeutet hätte, seine Tochter so zu sehen. Warwick wäre stolz auf seine Anne gewesen, da war er sicher. Doch als Julian erkannte, wer die Schleppe der würdevollen, schönen Königin trug, verschwand sein Lächeln wie fortgewischt. Es war Megan Beaufort.
Julian wandte sich angewidert ab, drängte sich so rüde zumAusgang, dass er ein paar ausgefallene Beschimpfungen erntete, und als er aus dem weihrauchgeschwängerten Halbdunkel in den Sonnenschein hinaustrat, stieß er beinah mit Megans Beichtvater zusammen.
»Nun, Vater Christopher, bleibt Ihr lieber in der sengenden Sonne, als mitzuerleben, wie sie erniedrigt wird?«, fragte Julian wütend.
Der junge Geistliche hob ergeben die Schultern. »Ich glaube, eine Frau wie Lady Megan kann man nicht erniedrigen, Mylord. Sie ist einfach von zu großer, aufrichtiger Demut erfüllt.«
Julian ging neben ihm her Richtung Fluss und dachte darüber nach. »Ihr habt vermutlich Recht«, räumte er schließlich ein. »Aber dafür, dass sie es versuchen, könnte ich Buckingham und König Richard die Kehle durchschneiden.«
Vater Christopher schüttelte den Kopf über diese gottlose Bemerkung und wechselte dann das Thema. »Tatsächlich war ich auf der Suche nach Euch, Mylord. Lady Megan hat mich gebeten, Euch etwas auszurichten.«
»Ah ja?« Julian war neugierig.
»Sie nimmt an, dass Ihr Westminster gern verlassen würdet, ehe die vierzig Tage Eures Asyls vergangen sind.«
Julian nickte. »Lieber heute als morgen. Die Frage ist nur, wie.«
»Hört zu.« Christopher senkte konspirativ die Stimme, obwohl weit und breit niemand zu entdecken war. »Lady Megan wird natürlich am Bankett teilnehmen müssen. Bis das vorbei ist, wird es dunkel sein. Unterdessen steht ihre Kutsche vor dem Stall neben der St.-Stephen’s-Kapelle. Unbewacht. Solltet Ihr sie Euch zufällig anschauen, werdet Ihr feststellen, dass die Sitzbank ein verstecktes Scharnier hat und hochgeklappt werden kann. Darunter befindet sich ein Hohlraum, der etwa so groß wie eine Reisetruhe ist. Groß
Weitere Kostenlose Bücher