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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Waisen auf: Dann sollen sie bescheiden sich.«
    »Erbarmen«, sagte Philipp mit einem Lächeln. »Ihr seid ein großer Kämpfer, Heinz, aber als Sänger …«
    »Ich weiß. Aber solche Lieder höre ich lieber als welche auf Berthold von Zähringen. Ich glaube, was mir daran am besten gefällt, ist der Hinweis auf den Waisen. Es kann nicht schaden, die Menschen zu erinnern, dass wir die Kronjuwelen haben.« Philipp sagte nichts, doch er zog eine Augenbraue hoch. »Ihr«, verbesserte sich Heinz von Kalden.
    Natürlich hatte sein Marschall recht: Zepter und Krone, einschließlich des legendären Kronjuwels, das man den Waisen nannte, waren im staufischen Besitz, hier in Hagenau, wo zum Glück in der Zeit zwischen Heinrichs Tod und Philipps Rückkehr niemand gewagt hatte, Hand an sie zu legen. Ganz gleich, wie stolz der Erzbischof von Köln auf sein Recht war, Könige zu krönen, über die einzig wahren Insignien dafür verfügte er nicht. Das ließ Philipp seit seiner Ankunft wieder viel ruhiger schlafen.
    Er bedeutete dem Diener, Herr Walther möge eintreten. Dem Sänger ging es offensichtlich gut; Heinz von Kalden trug derzeit abgewetztere Kleidung. Trotzdem hatte er noch den gleichen Blick, den Philipp zuerst für hungrig gehalten hatte und mittlerweile als zu neugierig, zu gewitzt empfand. Herr Walther, so schien es, spazierte durch das Leben und fragte sich ständig, was es ihm zu bieten hat. Damit stand er nicht allein, doch die anderen Menschen mit einer ähnlichen Einstellung, die Philipp kannte, gründeten sie auf Grundlagen wie Reichtum oder Macht, nicht auf die merkwürdige Mischung aus Beobachtungsgabe und einem Talent für Reimereien. Alle anderen Minnesänger, denen Philipp begegnet war, verhielten sich anders: Sie wollten alle etwas vom Leben, doch es war klar, was sie wollten – einen Gönner und einen warmen Platz. Man konnte sich deshalb auch immer auf sie verlassen. Walther dagegen mochte Lieder im Sinne Philipps geschrieben haben, aber bisher war jedem, das Philipp zu Ohren gekommen war, auch eine Prise Spott beigemischt gewesen, die Walthers höchsteigene Meinung widerzuspiegeln schien. Er wünschte sich, er hätte Friedrich von Österreich mehr nach den Eigenarten seines Schützlings befragt.
    Vom plötzlichen Wunsch getrieben zu erkunden, ob Walther so etwas wie Treue zeigen konnte, auch wenn es sich für ihn nicht auszahlte, sagte Philipp: »Ihr kommt zu einer trüben Stunde. Wir haben schlechte Nachrichten erhalten, Herr Walther.«
    »Und ich dachte, es sei mein höchsteigenes Privileg, die Unglückskrähe zu geben«, gab Walther zurück, offensichtlich nicht beunruhigt und in dem Versuch, Philipp neugierig auf seine eigenen Nachrichten zu machen.
    »Herzog Friedrich liegt an einer Seuche danieder.«
    Walthers Mund formte ein lautloses O, dann schloss er ihn wieder und schaute zu Boden. Als er wieder aufblickte, war sein Gesicht ernst, doch nicht traurig. »Ich werde für ihn beten.«
    Was bleibt von uns, fragte sich Philipp und wusste selbst nicht, warum ihn derartige Grübeleien ausgerechnet jetzt befielen. Sein Vater hatte Päpste in die Knie gezwungen, doch am Ende hatte ihn ein kalter Fluss in einem fernen Land besiegt, und heute gab es niemanden mehr, der von ihm sprach. Sein Bruder Heinrich war erst wenige Monate tot. Alle Welt sprach von den Folgen, doch an Heinrich selbst dachte kaum jemand, ganz gewiss nicht die Sänger des Reiches. Philipp schloss sich selbst nicht aus. Auch er dachte weit öfter über die Folgen nach, die Heinrichs Tod für ihn und das Reich hatte, als an seinen Bruder. Wenn ich morgen sterbe, dachte Philipp, wer wird dann übermorgen noch an mich denken? Irene vielleicht. Doch niemand sonst. Es war eine verstörende Vorstellung.
    »Er wird unsere Gebete brauchen«, erwiderte Philipp.
    »Und er ist nicht der Einzige«, sagte Walther und kam ungefragt näher. »Der Erzbischof von Köln braucht dringend himmlischen Beistand, weil er sich offenbar unabsichtlich zwei verschiedenen edlen Herren als zukünftigen Königen verpflichtet sieht. Leider gehört Ihr nicht dazu, Euer Gnaden.«
    »Der Gierschlund hat sich überfressen?«, fragte Heinz von Kalden vergnügt. »Das ist zu gut, um wahr zu sein.«
    So viel zu Friedrich von Österreich, dachte Philipp. Aber er selbst war auch nicht anders. Was war ihm der Herzog von Österreich im Vergleich zum Kampf um seine Krone? Nichts.
    »Zumindest dürfte ihm derzeit der Magen schwer sein«, stimmte Walther zu. »Aber leider löst

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