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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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hin blasen wird als mich.«
    »Aber möchtest du denn, dass dein … dass Walther weiter in deiner Nähe bleibt?«
    Sie biss sich auf die Lippen und dachte an Walthers Hände, so sicher und geübt an ihrem Körper wie die eines Arztes, und daran, woher er diese Art von Übung wohl hatte. Sie dachte an ihre eigenen Hände, an das, was sie damit in den letzten Monaten entdeckt hatte. Sie dachte auch daran, dass sie nur deswegen nicht miteinander geschlafen hatten, weil sie in dem Spital keinen Raum gefunden hatten, wo sie alleine sein konnten, und daran, dass man auch im Schatten und in Ecken gedrückt viel mehr tun konnte, als sie früher für möglich gehalten hätte, bevor ihr Maria mehr und mehr davon erzählte. So war sie jetzt noch zornig, nicht beschämt, dass ausgerechnet Botho sie ertappt und ihre Zweisamkeit unterbrochen hatte, als er mit einem zynischen Abendgruß vorbeigegangen war. Judith dachte daran, dass sie nicht wusste, ob sie weniger oder mehr sie selbst gewesen war in jener Stunde, nur, dass ihr Mund trocken wurde und ihr Puls schneller ging, wenn ihr nur Kleinigkeiten dieser Begegnung wieder einfielen. Galens Theorien vom Gleichgewicht der Säfte im Körper halfen ihr dabei kein bisschen.
    »Ja«, sagte sie. »Aber als ich noch ein Kind war, wollte ich ständig Honigkuchen essen, und wenn ich das getan hätte, dann würde ich heute nicht mehr alle meine Zähne haben.«
    Gilles zupfte sie an der Nase. »Männer sind keine Honigkuchen, Jutta. Glaub mir, ich weiß es.«

    Ob Bothos Vorsicht nun übertrieben oder angemessen war: Niemand belästigte Judith oder ihren Gatten während der Reise. Stattdessen taten die Männer des Bischofs alles dafür, bei den abendlichen Waffenübungen gegen Gilles antreten zu können, der eigentlich nur mit Markwart üben wollte. Aus dem Vorsatz, dem Liebhaber von Männern ihre Überlegenheit zu beweisen, wurde aber nichts, und ein Herausforderer nach dem anderen zog gegen Gilles den Kürzeren. Botho war ein besonders schlechter Verlierer und schob es darauf, sich zurückhalten zu müssen, weil man schließlich nur übe, aber es verletzte seine Ehre erkennbar. Judith hatte zuerst alles versucht, um diese Kämpfe zu verhindern, aber Männer waren nun einmal nicht abzubringen, beweisen zu wollen, wer der Überlegenere war. Statt mit dem Schwert schlug man im Tross nun mit hämischen Witzen nach Gilles, bis ausgerechnet Markwart wütend verkündete, es sei genug; der Aquitanier habe für seine Sünden gebüßt. »Ein jeder hat das Recht auf einen neuen Anfang.«
    »Also fürchtest du nicht länger um deine Keuschheit?«, fragte Walther neckend.
    »Du wirst schon sehen, wer zuletzt lacht«, murmelte Markwart düster, »wenn du mit deinem Mädchen und Gilles gemeinsam im Bett landest, so, wie die aneinander hängen. Aber weißt du, die Kerle des Bischofs habe ich schon über wunde Zehen klagen hören. Gilles mag gegen die Natur lieben, aber Mumm hat er, das muss man ihm lassen. Wenn ich daran denke, wie grün und blau er geschlagen war, als wir ihn aus Braunschweig herausholten … Also finde ich, diese Jammerlappen haben sich das Recht auf Witze einfach nicht verdient.«
    Die Reise wurde für Walther eine seltsame Mischung aus Freude und Qual. Botho hatte ihn am Tag nach dem Vorfall im Spital zur Seite genommen und mitgeteilt, an und für sich kümmere es ihn nicht, mit wem Herr Walther es treibe, aber es würde den Männern bei ihrer Selbstbeherrschung helfen, wenn sie die Frau wirklich mit keinem anderen als ihrem Gatten zu Gesicht bekämen. »Ich könnte es meinen Leuten nicht einmal verdenken, wenn sie die Frage stellen würden: Wenn ein Liebhaber, warum nicht gleich mehrere«, schloss Botho. »Eine Frau ist eine anständige Frau, oder eine Hure, und wenn Ihr nicht wollt, dass Eure Magistra wie eine Hure behandelt wird, dann lasst die Finger von ihr.«
    »Wenn Eure Männer nur das Bett mit Frauen teilen, die sie dafür bezahlen, dann haben sie mein tiefes Mitgefühl, Herr Botho«, schoss Walther zurück. »Vielleicht würde sich das ändern, wenn sie Huren wie anständige Frauen behandelten, statt anständige Frauen wie Huren?«
    »Ich scherze nicht, Herr Walther. Schön, habt Euren Spaß, aber dann beschwert Euch nicht bei mir, wenn ein paar von meinen Leuten das Gleiche versuchen.«
    Also nahm Walther sich zusammen und berührte Judith noch nicht einmal an den Fingerspitzen. Wenn sie in Spitälern abstiegen, machte er keine Anstalten, den Raum der Frauen zu besuchen;

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