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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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bitten, Euer Gnaden, nicht so von der Königin zu reden. Wenn ich auch ihren Dienst verlasse, so war sie doch Jahre meine Herrin, die ich geliebt und respektiert habe.«
    »War das so?« Otto streckte ihr seinen linken Fuß entgegen. »Nehmt ihn in Euren Schoß.« Er hatte die Arme hinter seinem Kopf verschränkt und genügend Felle hinter sich gestapelt, um Kopf und Schultern darauf zu stützen und sie ständig anzuschauen. Wieder erinnerte sie sich an die »Hochzeitsfeier« in Chinon, die er eingefädelt hatte. Wie brachte er es nur erneut fertig, sie nicht zu bedrohen und ihr trotzdem so widerwärtig zu sein?
    »So war das«, sagte sie ruhig.
    »Also werdet Ihr mir nicht verraten, womit unsere byzantinische Rose Euch verprellt hat?«
    »Nein«, sagte Judith und setzte ihr Messer an. Man musste Otto zugestehen, dass er Fuß und Bein ruhig hielt und nicht aufschrie, wie viele ihrer Patienten. Natürlich war er kampferfahren, hatte vermutlich schon viele tiefere Schnitte weggesteckt und gönnte niemandem einen solchen kleinen Triumph. Stattdessen wandte er sich an Paul und fragte ihn, ob er ihn von der Belagerung und Eroberung der Burg Hochstaden kannte. Paul schaute zum ersten Mal, seit sie den Raum betreten hatten, weniger angespannt und gequält, sondern aufrichtig erfreut drein: »Ja, Euer Gnaden, da war ich dabei.«
    »Die Kölner Truppen waren sehr tapfer«, sagte Otto aufgeräumt. »Pfeffersäcke oder nicht, solche Männer wünsche ich mir im Rücken, wenn es hart auf hart geht im Gefecht.«
    »Es war uns eine Ehre, für Euch und unsere Stadt zu kämpfen, Euer Gnaden!«
    Judith presste den Schnitt zusammen und verband ihn rasch, während Otto meinte: »Das macht es zu einem Jammer, dass Ihr nunmehr Eure Abgaben an Philipp entrichtet. Nun ja, er hat dieses Jahr einiges an Verwandtschaft auszustatten, da sollte ich es ihm nicht übelnehmen, wenn er sich gut mit der Kölner Münze stellt. Schließlich«, setzte er hinzu und schaute zu Judith, »bekommt niemand etwas umsonst.«
    * * *
    Hans von Brabant war seit vier Jahren Philipps Verbündeter, nicht mehr Ottos; an seinem Hof sprach niemand mehr davon, dass die junge Marie den Welfen hatte heiraten sollen. Dafür wurde umso mehr darüber getuschelt, dass in diesem Jahr der junge Friedrich auf Sizilien vierzehn Jahre alt würde und damit nach normannischem Gesetz mündig, was bedeutete, dass die Vormundschaft des Papstes endete. Offenbar hatten die Brabanter den Eindruck, er würde dann um ihre Marie anhalten, die bald achtzehn wurde und allmählich wirklich heiraten sollte. Man munkelte sogar, Philipp hätte vor Jahren für seinen Neffen etwas in der Art in die Wege geleitet, und nur der Umstand, dass er gebannt und der Papst Friedrichs Vormund gewesen war, habe ihn daran gehindert, die Hochzeit umgehend in die Wege zu leiten.
    Wirklich, in diesem Jahr schienen alle Fürsten im ganzen Reich nur noch ans Heiraten zu denken.
    Walther lieferte sein Empfehlungsschreiben ab, spielte seine Lieder und wurde im Gegensatz zu seinem Aufenthalt in Bamberg nicht einmal nach Philipp gefragt. Mittlerweile argwöhnte er, dass er sich die Entführungspläne nur einbildete, um nicht darüber nachgrübeln zu müssen, was er in seinem eigenen Leben alles falsch gemacht hatte. Aus der Ahnung, jener Krüppel, von dem die Bamberger Köchin ihm erzählt hatte, sei Gilles gewesen, war Gewissheit geworden, und nun war er auch sicher, dass diese Information Judith erreicht hatte, an dem Tag, als die Kölner in Speyer eintrafen. Es sähe Stefan ähnlich.
    Leider änderte das im Grunde überhaupt nichts zwischen ihnen. Seine eigenen Wochen im Spinnhaus hatten dafür gesorgt, dass er sich nur allzu gut vorstellen konnte, was es für Gilles geheißen hatte, Botho ausgeliefert zu sein. Was es bedeutete, die Beine zu verlieren, konnte und wollte er sich nicht vorstellen, aber er wusste, er an Gilles’ Stelle würde so etwas nie verzeihen. Aber Judith hatte nichts von diesem Schicksal gewusst, während sie ihn über Jahre hinweg belogen hatte. Und als sie es erfuhr, da hatte sie ihn nicht um eine Erklärung gebeten. Sie hatte nicht ein Mal versucht, zu erfahren, warum er ihr etwas Falsches erzählt hatte. Sie hatte all ihre gemeinsamen Jahre einfach weggeworfen, als seien sie nichts für sie gewesen. Wenn er einen Fehler gemacht hatte, war sein Herz dafür verantwortlich, nicht sein Verstand, anders als bei ihr.
    Manchmal wachte er auf und hatte vergessen, dass er und Judith einander belogen

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