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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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müssen.«
    »Aber so etwas täten nur niedrig geborene Feiglinge, und außerdem sind noch nicht einmal alle Pferde gesattelt«, murrte Justingen.
    »Niedrig geborene Feiglinge bleiben am Leben«, entschied Friedrich, schwang sich auf ein ungesatteltes Pferd und trieb es mit den Knien in den Fluss, während ihm der Rest des Trupps hastig und ähnlich würdelos an der Mähne ihrer Gäule hängend folgte. Ein besonderes Bild gab dabei Walther ab: Er hielt krampfhaft ein Paket hoch, das er nicht nass werden lassen wollte, sein Geschenk für Judith. Mit Friedrichs Unterstützung hatte er in Sizilien ein Buch von Mosche ben Maimon kaufen können, obwohl er dafür all sein Geld ausgeben musste, aber das war es ihm wert gewesen. Dieses Buch heil und unversehrt zu Judith zu bringen, das war nun sein größtes Anliegen.
    Am Ende standen sie triefend, aber sicher am anderen Ufer, im Herrschaftsbereich von Cremona, während die mit schweren Rüstungen ausgestatteten Mailänder auf ihrer Seite des Flusses bleiben mussten. »Hast dir im Lambro die Hosen gewaschen, Zaunkönig, wie?«, höhnten sie über den Fluss.
    »Damit ich für meine Krönung gut aussehe!«, rief er zurück, in der breitesten Volgare Siziliens. Die Deutschen im Trupp blickten verständnislos drein; die Sizilianer grinsten.
    Friedrich hatte seit ihrem Aufbruch von Sizilien begonnen, bei Walther Deutsch zu lernen. Da er sowohl über ein hervorragendes Gedächtnis als auch über ein musikalisches Gehör verfügte, lernte er rasch. Außerdem argwöhnte Walther, dass der König in seiner Kindheit doch mehr von dem, was die Herren Schweinspeunt und Annweiler gesagt hatten, verstanden haben musste. In jedem Fall stellte er fest, dass er die Unterrichtsstunden in Bürgerhäusern, Hospizen und an nächtlichen Lagerfeuern sehr genoss. Er konnte es nicht lassen und baute eine der Lektionen um ein neues Lied.
Nach Ottos Körpergröße sein mildes Herz zu messen,
Misslang mir, weil ich da das rechte Maß vergessen:
Wär er so gut als groß, viel Ruhm hätt er besessen.
Nun maß ich seinen Leib aufs Neu nach seiner Ehre,
Da war er viel zu klein, wie ein verschnittnes Werk,
An Edelmut schien er noch kleiner als ein Zwerg,
Und ist so alt, dass sich sein Wachstum kaum noch mehre!
Doch als ich Friedrich maß, wie groß er mir erschien,
Milde und Größe war dem jungen Herrn verliehn,
Er wächst – und riesengleich schon überragt er ihn!
    »Mir scheint, Ihr Deutschen habt da eindeutig ein Lieblingswort«, sagte Friedrich. » Milde. Nur dachte ich früher, das bedeute gnadenreiche Gesinnung, aber wenn es nach Euren Liedern geht, dann läuft es auf Gesinnung, die sich durch klingende Münze zeigt hinaus.«
    »Gibt es eine bessere Art, Gnade zu zeigen, Euer Gnaden?«, parierte Walther. Friedrich lachte.
    »Aber ich habe derzeit gar kein Geld. Zumindest kein eigenes. Es sind alles Anleihen des Königs von Frankreich.«
    »Mit fremder Herrscher Geld kann man erst recht milde sein, mein König.«
    »Wohl wahr. Und Ihr, Herr Nachtigall, wollt Ihr auch fremder Herrscher Geld für Eure Stunden?«
    »Ich bin ein deutscher Sänger«, erwiderte Walther mit gespielter Empörung. »Ich will etwas rein Deutsches … und es gibt nichts Deutscheres als ein deutsches Lehen.«
    »Also, Herr Walther, Ihr könnt doch unmöglich Grund und Boden für Eure Frechheiten erwarten!«, donnerte Anselm von Justingen.
    »Wir werden sehen«, sagte Friedrich. »Wir werden sehen.«
    Walther lehnte sich in seinem Mantel zurück, aus dem er sein Lager bereitet hatte, schaute zum südlichen Sommerhimmel empor und fragte sich, was Judith jetzt wohl gerade tat.
    * * *
    »Ich werde Euch für ihren Tod bestrafen«, sagte Otto. »Hängen oder brennen lassen. Sie ist erst gestorben, als Ihr gekommen seid. Hexe!«
    Die Magistra beachtete ihn nicht. Sie hatte sich ihr Gewand angerissen, Staub über ihr Haupt gestreut und bewegte ihren Oberkörper vorwärts und zurück, während sie ein Gebet für Beatrix sprach, die Tochter Irenes und Philipps, Königin und Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches.
    Ottos Drohung war nur noch in einem matten Echo seiner früheren Zornesausbrüche gesprochen gewesen. Da sie kein Anzeichen gab, diese überhaupt gehört zu haben, versickerten seine Flüche in der Stille des Raumes und dem Gemurmel in einer Sprache, die er nicht verstand.
    Er ertappte sich dabei, wie er sich gegen die Wand lehnte. Aus irgendwelchen Gründen waren seine Knie weich. »Ich habe das nicht gewollt«, sagte er.

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